Die Terroristen
fort:
»Das ist eine unmenschliche, fürchterliche und erniedrigende Strafe. Wie können sich Menschen hinstellen und bestimmen, dass andere eingesperrt werden? Alle müssten ein Recht auf ihr eigenes Leben und ihre Freiheit haben.«
»Es muss Gesetze in einer Gesellschaft geben. Und die Gesetze, die es gibt, müssen wir befolgen.«
»Ja, vielleicht. Aber die Leute, die die Gesetze erfinden, sind die so viel klüger und besser als die anderen? Das glaube ich jedenfalls nicht. Jim ist reingelegt worden. Er hatte nichts Böses getan. Absolut nichts. Und trotzdem musste er bestraft werden. Die hätten ihn genauso gut gleich zum Tode verurteilen können.«
»Jim wurde nach den Gesetzen seines Landes verurteilt…«
»Sie haben ihn schon hier verurteilt«, unterbrach Rebecka und beugte sich auf ihrem Stuhl vor. »Indem sie ihn anlogen und behaupteten, er würde heimreisen können und würde nicht bestraff, damit war sein Urteil bereits gesprochen. Sagen Sie nicht, dass das nicht stimmt, ich glaube Ihnen doch nicht.«
Martin Beck hatte auch nicht vor, etwas dazu zu sagen. Rebecka sank zurück gegen die Stuhllehne und strich eine Strähne zurück, die nach vorn über die Wange gefallen war. Er wartete darauf, dass sie weitersprechen würde, gerade jetzt wollte er ihre Überlegungen nicht durch Fragen oder altkluge Kommentare unterbrechen.
Nach einer Weile sprach sie weiter:
»Ich habe vorhin gesagt, dass ich mich entschlossen habe, den Regierungschef zu töten, nachdem ich von Jims Tod erfahren hatte. Das stimmt sicherlich, aber eigentlich habe ich schon früher daran gedacht. Ich bin jetzt nicht ganz sicher.«
»Aber du hast doch gesagt, dass du dich erst vorgestern daran erinnertest, dass du einen Revolver hast?«
Rebecka zog die Stirn kraus. »Das stimmt. Daran habe ich erst vorgestern gedacht.«
»Wenn du dir schon früher vorgenommen hättest, ihn umzubringen, wäre dir sicher auch der Revolver eingefallen.«
Sie nickte.
»Ja, vielleicht. Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass mir jetzt, wo Jim tot ist, alles egal ist. Es spielt keine Rolle mehr, was aus mir wird. Der einzige Mensch, der mir etwas bedeutet, ist Camilla. Ich liebe sie, aber ich habe ja keine Möglichkeit, ihr etwas anderes als Liebe zu geben. Muss sie in dieser Gesellschaff aufwachsen und darin leben, dann ist es vielleicht am besten für sie, wenn sie lernt, wie es darin zugeht. Das kann ich ihr niemals beibringen. Ich habe versucht, es so zu sehen, dass sie glücklicher wird, wenn sie sich anpassen kann und nach den Regeln, Gesetzen und Auffassungen lebt, die in diesem Land gelten. Im Übrigen habe ich mir niemals eingebildet, dass man ein Kind besitzt, nur weil man es geboren hat. Im besten Fall wird sie stark genug und kann ihr Leben nach eigenen Wünschen einrichten, wenn sie älter wird.«
Rebecka warf Martin Beck einen trotzigen Blick zu und fügte hinzu:
»Sie glauben natürlich, dass ich naiv und verantwortungslos handele, aber ich habe wirklich sehr genau darüber nachgedacht.«
»Das nehme ich dir voll und ganz ab«, widersprach Martin Beck. »Ich finde keineswegs, dass du naiv oder verantwortungslos bist. Im Gegenteil. Du scheinst ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein zu haben als die meisten anderen in deinem Alter. Außerdem bist du ehrlich, und das kommt auch nicht sehr häufig vor.«
»Nein«, bestätigte Rebecka, »alle lügen. Es ist grauenhaft, in einer Welt zu leben, in der sich alle gegenseitig anlügen. Aber alle glauben ja, lügen zu müssen, um in diesem Leben durchzukommen, und wenn diejenigen, die am meisten zu sagen haben und anderen Anweisungen geben können, was sie zu tun haben, am allermeisten lügen, dann muss es wohl so werden. Wie kann ein Mensch, der ein Schurke und Betrüger ist, ganz oben sitzen und über ein ganzes Land bestimmen? Denn das war er. Ein gemeiner Betrüger. Nicht dass ich glaube, dass der, der jetzt an seine Stelle tritt, auch nur einen Deut besser wird, so dumm bin ich nicht, aber ich wollte all denen, die da sitzen und regieren und bestimmen, zeigen, dass sie die Leute nicht pausenlos betrügen können. Ich glaube, dass viele Menschen ganz genau wissen, dass sie belogen und betrogen werden, aber die meisten sind zu bequem oder zu ängstlich, um etwas zu sagen. Es hilft übrigens nicht, sich zu beklagen oder zu protestieren, diejenigen, die die Macht haben, interessiert das gar nicht. Die kümmern sich um nichts anderes als um ihre eigene Karriere, und wie es den normalen Mitbürgern
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