Die Terroristen
er das sichere Gefühl, dass es irgendwo in dieser grauen vom Wind gepeitschten Stadt jemanden gab, der vielleicht gerade jetzt dabei war, zu versuchen, herauszufinden, wo Heydt sich befand und was er vorhatte.
Vielleicht war es trotz allem keine schlechte Idee, sich diesen Martin Beck vom Hals zu schaffen? Ein Polizeikorps kann es sich selten leisten, den einzigen kühlen Kopf, über den es verfügt, zu verlieren.
Heydt hatte ein Gewehr mit Nachtzielfernrohr für weite Entfernungen. Er hatte es vor einigen Tagen zusammengesetzt, und es stand nun schussbereit und gereinigt draußen im Schrank.
Martin Beck?
Ja, das war eine Überlegung.
Aber war es wirklich Martin Beck, der Raiten und Ramikaze überwältigt hatte und nun versuchte, ihm selbst eine Falle zu stellen?
Daran zweifelte er.
Trotzdem war es vielleicht kein schlechter Gedanke, sich Martin Becks für immer zu entledigen. Wenn der nun derjenige war, der solche eventuellen Pläne schmiedete?
Nackt trat Heydt an den Schrank, hob das Gewehr heraus, nahm es auseinander und kontrollierte die Teile, Stück für Stück.
Alles war so, wie es sein sollte. In bester Form. Er begann das Gewehr wieder zusammenzusetzen. Abschließend holte er eine Hand voll Patronen aus dem doppelten Boden seines Reisekoffers, lud die Waffe und legte sie unter das Bett.
Reinhard Heydt hatte Recht, auch wenn sein unsichtbarer Gegner weiter entfernt war, als er ahnte.
Auch wenn man in Großstädten Entfernungen nicht so spürt, ist es ein weiter Weg von Huvudsta im Nordosten bis zu dem trostlosen Vorort Bollmora, der ein gutes Stück weiter südlich davon liegt.
Dort wohnte Gunvald Larsson. Er hatte im Selbstbedienungsladen einige Lebensmittel eingekauft, wo alle Runden so kurz vor Weihnachten mehr oder weniger neurotisch reagierten. Nicht mal ihm selbst glückte es, sich den Ropf freizuhalten. Als die Hintergrundmusik die Runden zu neuen Impulskäufen verführen wollte und zum fünften Mal innerhalb kurzer Zeit die gleiche einfältige Übersetzung von Rudolph the Rednosed Reindeer spielte, kaufte Gunvald Larsson aus lauter Zerstreutheit die falsche Räsesorte, nämlich schwedischen Camembert statt dänischen Brie, und zu allem Überfluss auch noch den falschen Tee, Earl Greys Gunpowder statt Twinings Lapsang Souchong, bevor er sich durch die Schlange vor der Kasse kämpfte und das Geschäft verließ, müde und gereizt.
Jetzt wurde es spät. Nach dem Essen hatte er lange in der Badewanne gelegen und verschiedene Möglichkeiten durchdacht. Dann hatte er sich abfrottiert, einen sauberen weißen Seidenschlafanzug, Pantoffeln und den Morgenrock angezogen, seine große Skandinavienkarte entfaltet und sie auf dem Fußboden ausgebreitet.
Er lag im Bett auf dem Bauch und schob die Kissen mehrfach hin und her, denn der Kampf mit Raiten hatte doch einige schmerzhafte blaue Flecke nach geheimnisvollen Schlägen gegen den Brustkorb und die Oberschenkel hinterlassen. Danach richtete er seine ganze Aufmerksamkeit auf die Landkarte.
Es hatte eine Zeit gegeben, tatsächlich einen Zeitraum von mehreren Jahren, in dem Gunvald Larsson niemals Arbeit mit nach Hause genommen hatte, und es war ihm sogar oftmals geglückt, in dem Moment, in dem er seine Wohnung betrat, zu vergessen, dass er Polizeibeamter war. Aber diese Zeiten waren vorbei.
Gerade jetzt dachte er so gut wie ausschließlich an Reinhard Heydt.
Es war so weit gekommen, dass er sich beinahe vorstellen konnte, Heydt zu kennen, auf die gleiche Art und Weise, wie man einen unangenehmen Rollegen oder einen ehemaligen Schulkameraden kennt.
Gunvald Larsson war davon überzeugt, dass Heydt sich noch im Lande aufhielt, er war auch beinahe sicher, dass der Mann die verrückte Hetzjagd vor Weihnachten ausnützen würde, um zu versuchen, sich davonzumachen.
Gunvald Larsson hatte eine Menge blauer und eine kleinere Anzahl roter Pfeile auf der Karte eingezeichnet.
Die roten Markierungen bezeichneten die Fluchtwege, die er als wahrscheinlich, da schwer zu überwachen, einstufte, während die blauen die anspruchsvolleren und spitzfindigen Möglichkeiten kennzeichneten.
Die größere Zahl der blauen Pfeile wies nach Osten, die meisten nach Finnland, einige wenige in die Sowjetunion und einige nach Süden, nach Polen, in die DDR und in die Bundesrepublik.
Links zeigten blaue Pfeile von Göteborg nach Tilbury Docks in der Themsemündung, nach Immingham und nach Fredrikshavn auf Jütland sowie von Varberg nach Grenä.
Rund um alle
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