Die Terroristen
wenden.
»Ja?«
»Ich an deiner Stelle würde ein bisschen vorsichtig sein, besonders heute und morgen.«
Martin Beck sah ihn überrascht an. »Was meinst du damit? Soll ich Angst haben? Vor Heydt?«
»Ja.«
»Warum?«
»Dein Name ist in der letzten Zeit sehr oft in den Zeitungen, im Radio und im Fernsehen genannt worden. Heydt ist es nicht gewöhnt, übers Ohr gehauen zu werden. Außerdem muss ihm daran gelegen sein, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. Hier. In Stockholm.«
»Dummes Gerede«, brummte Martin Beck.
Er verließ das Zimmer. Gunvald Larsson seufzte tief und starrte weiter mit seinen porzellanblauen Augen hinaus, ohne etwas zu sehen.
29
R einhard Heydt stand vor dem Badezimmerspiegel. Er hatte sich gerade rasiert. Jetzt kämmte er die Roteletten. Einen Moment hatte er überlegt, ob er sie vielleicht wegrasieren sollte, hatte sich aber den Gedanken gleich wieder aus dem Ropf geschlagen. Die Idee war früher schon einmal diskutiert worden, in anderem Zusammenhang. Seine Vorgesetzten hatten das vorgeschlagen, ihm beinahe den Befehl erteilt. Er studierte sein Gesicht im Spiegel. Die Sonnenbräune verblich von Tag zu Tag ein wenig mehr. Aber an seinem Aussehen war nichts auszusetzen. Er selbst war stets damit zufrieden gewesen, und niemand anders hatte jemals etwas dagegen einzuwenden gehabt. Das hätte gerade noch gefehlt.
Aus dem Badezimmer ging er in die Küche, wo er vorhin gegessen hatte, dann weiter ins Schlafzimmer und in den großen Raum, der ihm und Levallois vor beinahe einem Monat als Operationszentrale gedient hatte. Jetzt war es darin ziemlich leer.
Da er nicht ausging, wusste er nicht, was in den Zeitungen stand. Aber er bekam recht ausführliche Informationen durch das Radio und aus dem Fernsehen. Trotzdem gab es dunkle Punkte.
Wie um Gottes willen war es diesem Martin Beck gelungen, Raiten zu überwältigen?
Dass jemand Ramikaze überrumpeln und festnehmen konnte, war erklärlich. Ramikaze war zwar ebenso wie die anderen für kritische Situationen trainiert worden und hatte alle Prüfungen bestanden, aber Heydt selbst hatte ihn stets als eines der schwächeren Mitglieder der Gruppe angesehen.
Raiten jedoch?
Raiten hatte Hunderte von Menschen auf die unterschiedlichste Weise getötet. Selbst unbewaffnet war er sehr viel gefährlicher als die Mehrzahl aller Polizisten oder Soldaten mit Schusswaffen. Denn Raiten tötete mit den Händen ebenso leicht, wie normale Menschen ein Ei aufschlagen. Ein Stoß von ihm reichte oftmals aus, um ein Lebenslicht verlöschen zu lassen.
Das Fernsehen und das Radio hatten mit großer Aufmerksamkeit die Festnahme und den Termin vor dem Untersuchungsrichter verfolgt. Man war immer wieder auf diesen Fall zurückgekommen und tat das auch jetzt noch.
Es schien nun klar, dass dieser Olsson allerhöchstens der Planer und Administrator war. Der, der wirklich gefährlich war, musste also der häufig erwähnte Polizeibeamte Martin Beck sein. Offenbar war er es auch, der Heydt bei dem Attentat im Vormonat hereingelegt hatte. Solche Polizeibeamten waren selten. Dass es sie in einem Land wie Schweden überhaupt gab, schien unbegreiflich.
Heydt durchmaß mit langen Schritten Zimmer für Zimmer der nicht allzu geräumigen Wohnung. Er war barfuß und trug lediglich ein weißes Unterhemd und kurze weiße Unterhosen. Viel hatte er an Kleidung nicht mit, und da er es sehr genau mit der Reinlichkeit nahm, wusch er seine Unterwäsche jeden Abend im Badezimmer aus.
Reinhard Heydt hatte zwei Probleme, die sofort gelöst werden mussten, aber er hatte sich immer noch nicht entschlossen. Schon vor längerer Zeit hatte er festgelegt, dass dieser Tag, Donnerstag, der 19. Dezember, seine letzte Chance war, sich zu entscheiden.
Die eine Frage betraf den Fluchtweg aus dem Land. Er wusste genau, wann er sich auf den Weg machen wollte. Dagegen zögerte er immer noch bei der Frage nach dem Reiseweg. Aber heute wollte er sich entscheiden. Wahrscheinlich würde es über Oslo und Ropenhagen gehen, wie er es sich von Anfang an vorgestellt hatte, aber die anderen Möglichkeiten waren immer noch offen.
Die zweite Frage war noch heikler; sie hatte sich überhaupt erst gestellt, nachdem Raiten und Ramikaze festgenommen worden waren.
Sollte er Beck liquidieren?
Was würde das für Vorteile bringen?
Reinhard Heydt war Realist, und Worte wie Rache oder Vergeltung waren ihm völlig fremd. All sein Handeln wurde von praktischen Überlegungen diktiert. Gefühle wie Erniedrigung, Erregung
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