Die Terroristen
ihr Sherryglas und drehte es zwischen den Fingern. Sie trank und stellte das Glas wieder hin, ehe sie antwortete.
»Sowohl als auch. Unser ältester Sohn ist 26 Jahre alt und Offizier bei der Marine. Er wohnt hier, wenn er in Stockholm ist, aber meistens ist er auf See oder in Karlskrona. Pierre, der 22 Jahre alt und ein wenig künstlerisch begabt ist, möchte auch in der Filmbranche arbeiten, aber die Zeiten sind schwierig, und zur Zeit reist er umher, um Kontakte zu knüpfen und Eindrücke zu sammeln. Aber er hat da oben ein Zimmer und wohnt zu Hause, wenn er nicht im Ausland ist. Ich habe ein Telegramm an seine letzte Adresse in Spanien geschickt, habe aber noch nichts von ihm gehört. Ich weiß also nicht, ob er schon erfahren hat, dass sein Vater tot ist.«
Sie nahm eine Zigarette aus einem Silberkästchen, das auf dem Tisch stand, und steckte sie mit einem Tischfeuerzeug, auch aus Silber und groß und protzig, an.
»Ja, dann haben wir noch Titti. Sie ist erst 19, hat aber schöne Erfolge als Fotomodell. Sie wohnt abwechselnd hier zu Hause oder in einer kleinen Wohnung in Gamla Stan. Leider ist sie gerade nicht da, sonst hätten Sie sie kennen gelernt. Sie ist ausgesprochen hübsch.«
»Das glaube ich gern«, bestätigte Martin Beck höflich und dachte daran, dass sie dann kaum ihrem Vater ähneln konnte.
»Auch wenn Sie sich nicht für die Geschäfte Ihres Mannes interessierten, so haben Sie doch sicher seine Geschäftsfreunde kennen gelernt«, fuhr er fort.
Chris Petrus fuhr sich mit der Hand durch ihre krause Frisur.
»Ja, doch, na klar, tat ich das. Wir hatten off alle möglichen Gäste aus der Filmbranche zum Essen hier draußen. Und dann gab es ja die verschiedenen Partys und Veranstaltungen, an denen Walle teilnehmen musste. Allerdings bin ich in den letzten Jahren nur noch selten mitgegangen.«
»Warum?«
Frau Petrus blickte zum Fenster hinaus.
»Ich hatte keine Lust. Da waren immer so viele Menschen, die ich nicht kannte, und eine Menge junger Leute, mit denen man nicht mehr so vieles gemeinsam hat. Und Walle meinte, dass ich nicht unbedingt mitzukommen brauchte. Ich habe meine eigenen Freunde, mit denen ich mich besser verstehe.«
Walter Petrus hatte mit anderen Worten seine 57-jährige Frau nicht mehr zu Festen mitgenommen, auf denen er Teenager traf, mit denen er schäkern konnte auf Grund seines Gewerbes und seines Geldes. Er war 62 Jahre alt, fett, hässlich und impotent gewesen, und sein Ruf als Filmproduzent hatte sich mit der Zeit immer mehr abgenutzt, obwohl er in bestimmten Kreisen immer noch damit protzen konnte, dass er der Mann war, der eine preisgekrönte Produktion geleitet hatte und allgemein bekannt war als ehrgeizig und kunstinteressiert. Aber die Anziehungskraft der Filmwelt ist für viele junge Mädchen so groß, dass sie zu jedem Opfer und jeder Erniedrigung bereit sind, nur um eine Chance zu erhalten, dabei zu sein. Walter Petrus hatte sich sicher nicht gescheut, ihre Bereitwilligkeit auszunutzen.
»Ich nehme an, dass Sie Zeit gehabt haben, darüber nachzudenken, wer Ihren Mann getötet haben kann, Frau Petrus?«
»Ich kann mir nichts anderes vorstellen, als dass es die Tat eines Wahnsinnigen sein muss. Es ist fürchterlich, dass dieser immer noch frei herumläuft.«
»Es gäbe keinen in seiner Umgebung, der Grund hätte …«
Sie unterbrach ihn, und zum ersten Mal während dieses Gesprächs klang ihre Stimme erregt.
»Niemand außer einem Verrückten kann einen Grund für so etwas Schreckliches gehabt haben. Solche Leute zählen nicht zu unseren Bekannten. Und das will ich Ihnen sagen, Herr Kommissar, was die Leute auch immer von meinem Mann hielten, es gab jedenfalls keinen, der so schlecht auf ihn zu sprechen war.«
»Es war nicht meine Absicht, Ihren Mann oder Ihre Bekannten zu kritisieren. Ich wollte nur wissen, ob er sich bedroht fühlte oder ob jemand sich vielleicht von ihm übel behandelt fühlte …«
Sie unterbrach ihn wieder.
»Walle hat niemanden schlecht behandelt. Er war freundlich und tat viel für alle seine Angestellten. Die Branche, in der er arbeitete, ist hart und schwer, und da muss man rücksichtslos sein, wenn man nicht selbst untergehen will, das hat er selbst manchmal gesagt. Aber dass er jemandem etwas getan hat, das eine solche Tat rechtfertigt, der Gedanke ist so absurd, dass man ihn gar nicht weiter zu verfolgen braucht.«
Sie leerte ihr Sherryglas und steckte sich eine Zigarette an, und Martin Beck wartete darauf, dass sie sich
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