Die Terroristen
der Sessel. Auf dem Couchtisch lag ein aufgeschlagenes Buch. Martin Beck drehte es um und sah sich den Umschlag an. Eine Hundepredigt von Ralf Parland.
Walter Petrus’ Gärtner hatte offenbar einen guten und anspruchsvollen literarischen Geschmack.
Hellström stellte Becher, Zuckerschale und eine Milchpackung auf den Tisch, ging zurück in die Küche und kam nach einer Weile mit der Teekanne wieder. Dann setzte er sich in den anderen Sessel und zog eine zerdrückte Zigarettenpackung und eine Streichholzschachtel aus der Tasche seiner Jeans.
Als er die Zigarette angesteckt hatte, goss er Tee in die Becher und fragte:
»Sie wollten mit mir über meine Tochter sprechen? Ist ihr was passiert?«
»Nicht dass wir wüssten«, antwortete Martin Beck. »Wo ist sie denn?«
»Das letzte Mal, als ich von ihr gehört habe, war sie in Kopenhagen.«
»Was tut sie da?«, wollte Äsa wissen. »Arbeitet sie?«
»Ich weiß nicht so genau.« Hellström blickte auf die Zigarette zwischen seinen braun gebrannten Fingern.
»Wann hat sie denn das letzte Mal von sich hören lassen?«
Hellström ließ sich Zeit mit der Antwort.
»Eigentlich hat sie sich gar nicht gemeldet. Aber ich war vor einiger Zeit da und habe sie besucht. Im Frühjahr.«
»Und womit hat sie sich damals beschäftigt? Hat sie einen Mann getroffen?«
Hellström lächelte bitter. »So kann man es vielleicht ausdrücken. Übrigens nicht nur einen.«
»Meinen Sie, dass sie …«
»Rumhurt, ja«, sagte er hart. Er spie die Worte beinahe aus und fuhr dann fort: »Mit anderen Worten, sie geht auf den Strich. Damit ernährt sie sich. Ich habe sie mit Hilfe der Sozialbehörden gefunden, und sie war völlig heruntergekommen. Von mir wollte sie nichts wissen. Ich versuchte, sie zu überreden, mit nach Hause zu kommen, aber sie weigerte sich.«
Er machte eine Pause und fingerte an seiner Zigarette.
»Sie ist bald 20, da kann niemand sie daran hindern, ihr eigenes Leben zu führen.«
»Sie haben sie allein großgezogen, nicht wahr?«
Martin Beck saß schweigend da und ließ Äsa das Gespräch führen.
»Ja, meine Frau starb, als Kiki einen Monat alt war. Damals haben wir noch in der Stadt gewohnt.« Äsa nickte, und er fuhr fort:
»Mona nahm sich das Leben, und der Doktor sagte, dass das von einer Art Depression nach der Entbindung kam. Ich begriff nichts. Klar, dass ich merkte, wie runter sie mit den Nerven war und wie deprimiert, aber ich glaubte, dass das wegen des Geldes war und weil sie Angst vor der Zukunft hatte, damals, als wir das Kind bekamen.«
»Was hatten Sie damals für eine Arbeit?«
»Ich war Friedhofswärter. Ich war 23 Jahre alt, hatte aber keine Ausbildung irgendwelcher Art. Mein Vater war Reinigungsarbeiter, Müllmann mit anderen Worten, und Mutter ging hin und wieder als Putzfrau. Für mich gab es gar nichts anderes, als arbeiten zu gehen, sobald ich mit der Volksschule fertig war. Ich arbeitete als Laufbursche und Lagerist und so was. Wir hatten es knapp, und ich hatte mehrere kleinere Geschwister, das Geld wurde also gebraucht.«
»Wie ist es denn gekommen, dass Sie Gärtnermeister wurden?«
»Ich habe eine Zeit lang in einer Gärtnerei in Svartsjölandet als Knecht gearbeitet. Der Besitzer war freundlich und ließ mich in die Lehre gehen. Er hat mir auch den Führerschein bezahlt. Er hatte einen Lastwagen, mit dem ich Gemüse und Obst zu Klarahallen gefahren habe.«
Hellström nahm einen Zug aus der Zigarette und drückte sie im Aschenbecher aus.
»Wie haben Sie das denn geschafft, gleichzeitig auf das Kind aufzupassen und zu arbeiten?«, wollte Äsa wissen.
Martin Beck trank Tee und hörte dem Gespräch zu.
»Das musste gehen. Als sie klein war, habe ich sie überall mit hingenommen, und dann, als sie mit der Schule begann, musste sie nachmittags allein fertig werden. Das war natürlich keine besonders gute Erziehung, aber ich hatte keine andere Wahl.«
Er nippte an dem Tee und stellte bitter fest:
»Das Resultat war ja dann auch danach.«
»Wann kamen Sie hierher nach Djursholm?«
»Vor 10 Jahren. Freie Wohnung dafür, dass ich den Garten hier pflegte. Später habe ich die Gartenarbeit für einige andere Häuser mit übernommen, daher ging es uns ganz gut. Ich war der Ansicht, dass diese Umgebung gut für Kiki sein würde, mit der Schule hier und all den feinen Schulkameraden. Aber das war für sie nicht immer ganz leicht. Alle ihre Klassenkameraden hatten reiche Eltern, die in schönen großen Häusern wohnten, und sie
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