Die Terroristen
sie ihren Absender sorgfältig in Druckbuchstaben auf die Rückseite. Sicherheitshalber ging sie am nächsten Tag zur Post und ließ den Brief frankieren.
Dann konnte sie nur noch weiterhin warten.
Rebecka gefiel es nicht, in der Stadt zu wohnen. Solange sie denken konnte, hatte sie sich danach gesehnt, auf dem Lande leben zu können. Sie wollte ein gesundes und einfaches Leben führen, der Natur nahe und am liebsten mit vielen Tieren und vielen Kindern um sich herum. Sie fühlte, dass sie zur falschen Zeit und an einem falschen Ort geboren worden war. Manchmal dachte sie daran, wie absurd es war, dass es heutzutage nur den Reichen und Begüterten vergönnt war, sich auf dem Lande niederzulassen, während früher die Dörfer und Landstädtchen von den hart arbeitenden und armen Leuten bevölkert waren. Alte Bauernhöfe wurden zu nicht wiederzuerkennenden renovierten Sommerhäusern für vermögende Menschen. Fischerhäuschen und Kätnerhütten wurden pittoreske Wochenendhäuser für gehetzte Wirtschaftsbosse, Politiker, Ärzte und Rechtsanwälte. Viele der schönsten Teile der unberührten Natur des Landes wurden in Golfbahnen mit luxuriösen Klubhäusern für die mondänen Mitglieder verwandelt. Man legte Flugplätze und Kernkraftwerke dort an, wo eigentlich Naturreservate geschaffen werden mussten. Große Stücke guten Ackerbodens wurden zerstört und Autobahnen darauf gebaut.
Off, wenn Rebecka durch die Straßen ging, dachte sie an all das und bekam Lust, sich mitten auf die Fahrbahn zu stellen, den Verkehr zu stoppen und allen Menschen um sich herum zuzurufen, dass sie einsehen sollten, wie schrecklich alles war. Wenn sie da lief, eingenebelt in die Abgase der Autos, mit Camillas warmem Körper eng an ihren eigenen gedrückt, konnte sie plötzlich eine große Verzweiflung über die Welt verspüren, in der ihr Kind aufwachsen musste.
Rebecka hatte ein kleines Stück Land bei dem Schrebergartenhäuschen, in dem sie eine Zeit lang gewohnt hatte, behalten dürfen. Das lag in Eriksdalslunden, nicht weit entfernt von ihrer neuen, behelfsmäßigen Wohnung. Jeden Morgen ging sie hin und pflegte ihr kleines Stück Gartenland, auf dem sie Gemüsesorten zog, von denen sie wusste, dass sie gut für Camilla waren. Sie hatte vieles über biodynamische Gemüsezucht und makrobiotische Kost gelernt und freute sich, dass sie das meiste, was sie und ihr Kind zum Leben brauchten, selbst ziehen konnte.
Wenn das Wetter schön war, saß sie off im Eriksdalslunden und ließ Camilla im Gras herumkriechen, während sie an Jim dachte und überlegte, an wen sie sich noch wenden konnte, um herauszubekommen, was mit ihm geschehen war.
Es begann Herbst zu werden, und bald würde der, dem die Kammer eigentlich gehörte, zurückkommen, und sie war gezwungen, wieder umzuziehen. Sie wusste nicht wohin, hoffte aber irgendwo bei ihren Freunden unterkommen zu können.
Ein paar Tage ehe sie ausziehen musste, kam die Antwort auf ihren Brief an Jims Eltern.
Jims Mutter schrieb, dass sie kürzlich in eine andere Stadt umgezogen waren, weit entfernt von der, in der sie vorher gewohnt hatten. Jim hatte nicht die formelle Strafe bekommen, die ihm versprochen worden war, sondern war als Deserteur zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie hatten keine Möglichkeit, ihn zu besuchen, weil die Entfernung bis zu dem Staat, in dem das Gefängnis lag, zu weit war, aber sie konnten ihm schreiben. Sie vermuteten, dass die Gefängnisleitung die Post zensierte und dass sie deshalb nichts von ihm gehört hätte. Sie selbst könne zu schreiben versuchen, aber sie dürfe nicht sicher sein, ob die Briefe ihn erreichen würden. Sie, die Eltern, konnten nichts tun, um ihm, ihr oder dem Kind zu helfen, denn Jims Vater war sehr krank und musste sich einer teuren Krankenhausbehandlung unterziehen.
Rebecka las den Brief mehrere Male sorgfältig durch, aber die einzigen Worte, die wirklich in ihr Bewusstsein drangen, waren vier Jahre Gefängnis.
Camilla lag und schlief auf ihrer Matratze auf dem Fußboden. Sie legte sich daneben, drückte das Kind fest an sich und weinte.
Rebecka schlief in dieser Nacht nicht, erst als es hell zu werden begann, schlummerte sie ein.
Als sie kurze Zeit danach von Camilla geweckt wurde, wusste sie plötzlich, an wen sie sich mit der Bitte um Hilfe wenden konnte.
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H edobald Braxens Büro war ebenso schmuddelig wie er selber. Es lag zwar vergleichsweise zentral, in David Bagares Gata, aber in einem Haus, für das der Besitzer nur
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