Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Terroristen

Die Terroristen

Titel: Die Terroristen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall; Per Wahlöö
Vom Netzwerk:
dass das Mädchen bedrückt aussah, und deshalb fragte er:
    »Wie geht es deinem kleinen Jungen?«
    »Mädchen. Camilla heißt sie.«
    » Selbstverständlich. Natürlich.«
    »Ihr geht es gut. Ich habe sie bei einer Freundin gelassen, solange ich hier bin. Sie fährt nicht gern U-Bahn. Schreit und macht sich nass.«
    »Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich ein kleiner Junge war«, erzählte Braxen. »Wir sind auf den Eisschollen herumgehüpft. Das hat man zu meiner Zeit ›Jumpen‹ genannt, und es war natürlich verboten. Ich bin einmal ins Wasser gefallen und selbstverständlich tauchte gerade da ein Polizist auf und sah das.«
    Braket blies zwei neue Rauchringe, ebenso elegant wie die ersten und um ein Haar reiner Perfektionismus.
    »Und was passierte? Ich wurde vor ein Polizeigericht geschleppt, so was gab es damals, und bekam eine Strafe von zwei Kronen. Taschengeld von zwei Monaten war das zu der Zeit. Von der Bastonade meines Vaters gar nicht erst zu reden.«
    Er nahm wieder ihren verständnislosen Blick wahr und ergänzte:
    »Ich habe ganz einfach Prügel bezogen. Leider war meine Erziehung ein wenig altertümlich.« Dann fuhr er fort:
    »Übrigens kann es gar kein Gesetz gegeben haben, das das Jumpen verbot. Höchstens zwei Zeilen in einer lokalen Verordnung. In jenem Augenblick hab ich mich jedenfalls entschlossen, früher oder später Jurist zu werden, obwohl alle um mich herum meinten, dass ich dazu nicht taugen würde.«
    Plötzlich lachte er:
    »Nicht taugte? In diesem Land, in dem man in 99 von 100 Fällen einen Nachttopf an die Stelle des Verteidigers stellen könnte.«
    Braket sah, dass seine Ausführungen absolut keinen Eindruck auf seine Besucherin machten. Er holte zwei Alka-Seltzer aus der Kochnische und löste die Tabletten in einem Plastikbecher auf. Dann goss er die Mischung in sich hinein, und schon nach einer Viertelminute machte er seinem Namen alle Ehre.
    Seine ausgeprägten Gesichtszüge sahen kummervoll aus. Er lehnte sich im Schreibtischstuhl zurück und schnallte, obwohl das unmöglich schien, den Gürtel ein Loch enger.
    »Sie sollten Hosenträger benutzen«, schlug das Mädchen sachlich vor.
    »Ja. Ja richtig. Das ist ein kluger und nützlicher Gedanke.« Er zog einen Schreibmaschinenbogen hervor und schrieb umständlich und sorgfältig in Druckbuchstaben HOSENTRÄGER darauf.
    Dann blickte er die Besucherin ernsthaft an. »Also, Roberta …«
    »Rebecka.«
    »Also, Rebecka, wo drückt der Schuh? Ist was passiert?«
    »Ja, und Sie, Herr Rechtsanwalt, sind der einzige Mensch, der mir jemals geholfen hat.«
    Braket steckte die Zigarre, die während des Hantierens mit dem Alka-Seltzer ausgegangen war, wieder an. Dann nahm er eine der Katzen auf den Schoß und kraulte sie hinter den Ohren, bis sie anfing zu schnurren.
    Er unterbrach sie nicht ein einziges Mal, während sie ihm ihr Problem vortrug.
    Schließlich fragte sie hilflos: »Was soll ich tun?«
    »Du kannst dich an das Sozialamt oder an das Jugendamt wenden. Da du nicht verheiratet bist, hast du sicher schon einen Vormund für das Kind.«
    »Nein«, widersprach sie sofort. »Absolut und unwiderruflich nein. Diese Leute jagen mich schon jetzt, als ob ich ein Tier wäre. Und Camilla haben sie, während ich bei der Polizei saß, völlig vernachlässigt.«
    »Vernachlässigt?«
    »Ja. Sie bekam falsche Nahrung. Es dauerte drei Wochen, bis ihr Magen wieder normal funktionierte.«
    »Meiner hat das nie getan.«
    »Das liegt an den Zigarren da und daran, dass Sie die falsche Kost essen.«
    »Mmm. Das ist denkbar. Aber jetzt bin ich glücklicherweise zu alt, um noch eventuelle schlechte Angewohnheiten abzulegen. Ich bin zum Beispiel viermal verheiratet gewesen und habe seit meinem 13. Lebensjahr Zigarren geraucht, mit kurzer Unterbrechung während des Krieges, als ich mir von amerikanischen Fliegern Marihuana eingetauscht habe; ich habe li Kinder und 16 Enkelkinder. Mein Bruder andererseits ist Vegetarier und hat Tabak niemals angerührt. Er hat keine Kinder und den Gesetzen der Logik entsprechend auch keine Enkelkinder. Dagegen hat er Lungenkrebs und wird sicher im Laufe des nächsten halben Jahres sterben.«
    »Was soll ich tun?«, fragte Rebecka.
    Braxen setzte die Katze auf den Boden, ein besonders hässliches Exemplar, gelb, ocker, schwarz und weiß gesprenkelt, und antwortete:
    »Ein lebenslanger Kampf gegen verschiedene Behörden, besonders die, die mehr Macht als andere haben, hat mich gelehrt, dass man sehr selten

Weitere Kostenlose Bücher