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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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gar nicht. Meine Großtante hat ihn mir aufgedrängt. Es ist unser Hauskaplan. Er ist sehr griesgrämig und würde bestimmt versuchen, Sie zu einem Leben in Askese und Kasteiung zu überreden.«
    Darin bin ich ohnehin Experte, dachte Andrej. In Gegenwart Jarmilas hatte der Gedanke jedoch keinen Stachel. Obwohl der Wagen holperte und es erbärmlich durch die offenen Fenster zog, fühlte er sich beinahe wohl. Wir haben hier aber keine phantastischen Hoffnungen, oder?, fragte er sich. Andrej lächelte in sich hinein. Nein, antwortete er sich selbst. Sie isteinfach nur ein anderer Mensch, der nicht vor meiner Gegenwart flieht. Halt den Mund und genieße es.
    »Wir könnten ihn über Bord werfen, wenn wir verfolgt werden«, sagte Andrej.
    »Man würde ihn uns zurückwerfen«, sagte sie.
    Sie sahen sich an. Beide platzten heraus.
    Der Wagen rollte in der einsetzenden Dämmerung den steilen Weg vom Hradschin hinunter. Die Pferde scheuten und schnaubten vor jeder der steilen Kehren. Aus dem Inneren des Verschlags drang das helle Lachen zweier junger Menschen. Die beiden vermummten Gestalten auf dem Bock bewegten sich nicht. Angesichts der Fröhlichkeit im Wageninneren schienen Düsterkeit und Kälte draußen noch schlimmer zu werden, als gönnten sie den Insassen drinnen nicht, dass das Lachen sie für ein paar kostbare Momente in Licht und Wärme hüllte.
    Jarmila And ĕ l hatte übertrieben, was das Personal anging. Außer dem Wagenlenker, der mit seinem Gefährt verwachsen oder zumindest auf und in ihm zu leben schien, gab es noch eine rundliche, ältere Frau von kühlem Ausdruck und den Hauskaplan, ein magerer Vogel, der sich wortlos in die entfernteste Ecke des kleinen Saals setzte, welcher das Obergeschoss von Jarmilas Haus bildete. Anders als in Andrejs Behausung brannte hier ein Feuer im Kamin. Obwohl es noch immer so kalt war, dass man den Mantel ohne weiteres anbehalten konnte, schien es Andrej im Vergleich doch mollig warm. Er sah sich unschlüssig um.
    »Ich lasse gewärmten Wein kommen«, sagte Jarmila. »Der wird uns wieder auftauen.«
    Andrej nickte. Auf der Herfahrt hatte er sich ihr seltsam nahe gefühlt; jetzt, in ihrem Haus, war er beklommen. Jarmila schien es zu spüren. Sie stand einen Augenblick verloren im Raum, dann nahm sie kurz entschlossen einen der Hockerund schob ihn Andrej hin. Sie bückte sich zu einer zweiten Sitzgelegenheit.
    »Schieben wir sie vor das Feuer«, sagte sie.
    Als die Wärme der Flammen auf Andrejs Wangen brannte, konzentrierte er sich auf sein Gegenüber. Jarmilas Gesicht glühte im Feuerschein, in ihren Augen tanzte Gold. Sie hatte den Mantel von ihren Schultern gleiten lassen und saß jetzt in ihrem steifen spanischen Oberteil und ihrem ausladenden Rock da wie eine Puppe. Die Eisen- und Fischbeinstäbe ihres Korsetts pressten ihren Oberkörper in eine knabenhafte Form; die Taille wirkte, als könnte Andrej sie mit beiden Händen umfassen. Statt der Halskrause trug sie einen links und rechts hoch aufgestellten Kragen, von dem Andrej zuerst gedacht hatte, er gehöre zu ihrem Mantel. Wenn sie sich bewegte, knarrte ständig etwas an ihr. Angesichts der Lagen Stoff, die sie trug, fühlte Andrej sich beinahe nackt. Sie fing seinen Blick auf und errötete noch mehr. Unwillkürlich zog sie die Beine enger an den Leib und verschränkte die Hände im Schoß.
    »Dieses Kleid macht mich hässlich«, flüsterte sie.
    »Nichts könnte Sie hässlich machen«, flüsterte er zurück.
    Sie lächelte flüchtig und starrte dann ins Feuer. Ihre Blicke trafen sich erst wieder, als der Wein gebracht war und sie sich zutranken. Der Wein war schwer von Gewürz, und die alte Frau schien dem Wasser hier mitten in der Stadt zu misstrauen, denn sie hatte den Wein ohne Verdünnung erwärmt. Hitze stieg in Andrejs Magen auf wie eine Sonne. Er stellte den Becher vorsichtig ab.
    »Was wollen Sie mir erzählen?«, fragte er.
    Sie zögerte und nestelte an der Verschnürung ihres Oberkleids. »Mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben«, sagte sie schließlich zögernd. »Bis dahin lebte ich im Glauben, dass meine Mutter an einer Krankheit gestorben sei, als ich noch ein Säugling war. Mein Vater erzählte mir auf dem Totenbett,dass das eine Lüge gewesen war.« Unvermittelt stiegen Tränen in ihre Augen. »Verstehen Sie – er hat mich so sehr geliebt, dass er nicht wollte, dass ich meine Tage mit dem Rätseln über ihren Tod zubrachte. Daher log er mich an – aus Liebe.«
    Andrej räusperte sich. Sie

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