Die Teufelsbibel
Fenster ging ohne Schwierigkeiten auf. Nach außen. Im letzten Augenblick hielt sich Andrej an einem Deckenbalken fest. Seine Besucherin schlug die Hände vors Gesicht und lachte, dass ihr die Tränen kamen. Der Instinkt tief in Andrejs Innerem erkannte, dass mit der Rückkehr des Kameraden Vernunft so bald nicht zu rechnen war, und übernahm das Kommando. Andrej kletterte steifbeinig vom Tisch und blieb dann vor ihr stehen. Sie reichte ihm kaum bis zum Brustbein und sah selbst in der ausladenden spanischen Tracht jung und zart aus.
»Ähem«, sagte er.
Sie hörte zu lachen auf. Andrej schluckte. Ihre Mundwinkel tanzten verräterisch, aber sie blieb ernst.
»Wollten Sie zum Fenster hinaus?«, fragte sie.
»Nein, ich – nur ein bisschen frische Luft hereinlassen –«
»Mir scheint, hier drin ist es kälter als draußen.«
»Ah –«
»Es sah wie ein Ringkampf aus. Wollten Sie die Fensterflügel aufziehen? Sie öffnen sich nach draußen, wie die Tür.«
»Gestern noch nicht«, sagte Andrej mit einem letzten Rest von Geistesgegenwart.
Sie lachte erneut. Es war so verblüffend, dieses Geräusch hier in diesem kalten Grab von einem Haus zu hören, dass Andrej blinzelte.
»Lachen Sie doch auch«, sagte sie schließlich. »Ich lache Sie ja nicht aus, sondern wegen Ihnen.«
»Na ja«, sagte Andrej. Das Lächeln wollte ihm nicht gelingen. Er starrte wie ein Tölpel in ihr Gesicht, ihre Augen, starrte ihre Brauen an, die amüsiert über ihre Stirn zuckten und sich an den äußeren Ecken sacht nach oben wanden wie die Flügel einer Möwe.
»Sind Sie Andrej von Langenfels?«
»Ja«, sagte er hastig, nachdem er gemerkt hatte, dass er eine volle Sekunde lang keine Antwort auf ihre Frage gegeben, sondern sie nur mit gefurchter Stirn angegafft hatte. »Ja. Bin ich.«
Sie reichte ihm eine Hand in einem hellen Lederhandschuh, und er ergriff sie und schwang sie wie einen Pumpenschwengel, bis ihm etwas ins Ohr flüsterte, dass man es mit Damen anders machte. Daraufhin beugte er sich nach vorn, um einen Kuss auf den Handrücken zu drücken, und knallte mit der Stirn gegen ihren Scheitel. Sie taumelte, aber noch im Taumeln lachte sie.
»Um Gottes willen!« Andrej fuhrwerkte im Raum herum, stellte einen Stuhl auf, schob ihn ihr förmlich unter den Hintern, so dass sie darauf niederplumpste, und irrte dann auf der Suche nach dem Wasserkrug umher, bis er in die Scherben trat.
»Ich habe das Gefühl, seit Jahren nicht so gelacht zu haben«, sagte sie außer Atem und rieb sich die Stelle, wo Andrej sie getroffen hatte.
»Entschuldigen Sie, ich wollte nicht – Es tut mir so schrecklich leid. – Ich habe – Ich bin sonst –« Andrej verstummte und seufzte. Plötzlich gab er sich einen Ruck, fischte den zweiten Stuhl vom Boden auf, schob ihn unter den Tisch, trat einen Schritt zurück und machte eine Verbeugung wie die, die er im Ballsaal gesehen hatte.
»Ich bin Andrej von Langenfels. Wie kann ich Ihnen dienen?«
Sie lächelte ihn weiterhin an, doch dann begann das Lächeln zu verblassen. Bestürzt erkannte Andrej, dass Tränen in ihre Augen stiegen.
»Sie können mir sagen, was aus meiner Mutter geworden ist«, sagte sie und schluckte.
»Wie könnte ich das tun?«, fragte Andrej.
»Setzen Sie sich, setzen Sie sich doch. Sie sind – Ich muss unbedingt – Nein, ich muss anders anfangen.«
Sie griff in ihren Mantel und holte ein kleines Kästchen hervor. Als sie es aufklappte, sah Andrej darin einen Siegelring liegen, der um zwei ihrer Finger passen musste. Das Siegel war eine komplizierte Angelegenheit aus inversen Schnörkeln und Runen. Er sah seine Besucherin ratlos an. Sie klappte das Kästchen zu und steckte es weg.
»Ich bin Jarmila And ĕ l«, sagte sie. »Mein Urgroßvater war Achylles And ĕ l aus Opotcno.«
Andrej zuckte mit den Schultern.
»Sie kennen meine Familie nicht. Ist auch kein Wunder.« Die junge Frau machte ein finsteres Gesicht. »Wir waren die Grundherren über Opotcno und Olessna, aber mein Urgroßvater hat sich so verschuldet, dass er vor fast siebzig Jahren alles für ein paar Kopeken verkaufte. Seitdem sind wir verarmt.«
Andrej bemühte sich vergeblich, ihr zu folgen. Sie schien es ihm anzumerken, denn sie schüttelte sich. Gleichzeitig zog sie den Mantel enger um die Schultern. Sie nestelte umständlich einen Handschuh von den Fingern und fuhr damit über die Tischplatte. »Sagen Sie, diese Geschichte – stimmt sie wirklich?«
»Welche Geschichte?«
»Die Seine Majestät
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