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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Er hatte sich für schlau gehalten, und wahrscheinlich war er es auch. Was er nicht bedacht hatte, war der Dolchstoß, den sein Anblick ihr versetzt hatte.
    »Welche Bedingung hat der Bischof dir gestellt?«, fragte sie tonlos.
    »Weißt du noch, was ich zu dir gesagt habe – letzten Herbst auf dem Kärntnertor?«
    »Jedes Wort.«
    »Sag es.«
    »Ein neues Leben. Eine jungfräuliche Welt. Ein neuer Anfang. Du und ich.«
    »Ich habe auch gesagt, dass ich lieber mit dir zusammen in der Hölle wäre als allein im Paradies.«
    »Ich war in der Hölle in den letzten drei Monaten«, flüsterte sie. »Allein.«
    Seine Antwort dauerte lange. Sie wusste, dass sie sich nicht so verhielt, wie er es erwartet hatte, aber sie konnte nicht anders. Sie wollte in seinen Armen liegen und ihn gleichzeitig ohrfeigen; sie wollte ihn gleichzeitig küssen und ihm Beschimpfungen ins Gesicht schreien. Das Priestergewand hatte sich als Täuschung entpuppt, und doch war seine Macht immer noch vorhanden – oder es war die Macht von etwas anderem, die Macht von drei Monaten in der Hölle – in seinem Fall das Malefizspitzbubenhaus, in ihrem Fall das Heim ihrer Familie in Prag –, von einem gebrochenen Versprechen, von sauer gewordenen Hoffnungen und einem verhungerten Traum, die zwischen ihnen stand und verhinderte, dass sie sich auch nur an den Fingerspitzen berührten.
    »Ich bin hier«, sagte er. »Du warst nicht allein. Ich war in Gedanken stets bei dir.«
    »Ich habe nichts davon gemerkt.«
    Sie spürte, wie er sie zu begreifen versuchte. »Bin ich vergeblich gekommen?«, fragte er zuletzt.
    Alles in ihr krampfte sich zusammen, dabei hatte sie mit der Frage gerechnet. Ein Teil von ihr sah ihr dabei zu, wie sie die schwache Grundfeste einriss, die ihre Liebe bisher gebaut hatte und die ihr ganzes Leben hätten tragen sollen, und sie schrie sich selbst an: Hör auf, hör auf, hör auf damit, dich und ihn zu zerstören! Doch der größere Teil, der, welcher von einem unentwirrbaren Gemisch aus Angst, Verlust und Enttäuschung angetrieben wurde, stieß und krallte und rüttelte an jedem Mäuerchen, jeder Säule und jeder Tragkonstruktion ihres gemeinsamen Seelenhauses.
    »Du bist nicht meinetwegen gekommen. Welche Bedingung hat Bischof Khlesl dir gestellt?«
    »Ich bin deinetwegen nach Prag gekommen. Wärst du am anderen Ende der Welt, wäre ich dorthin gereist.«
    »Hätte dir dein Onkel dann auch geholfen, mit seinem Wagen und allem?«
    Cyprian antwortete nicht. Sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. Der Mantel rutschte herab. Cyprian fasste herüber und zog ihn wieder hoch. Dann legte er einen Finger an ihre Wange. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als seine Hand zu packen, ihn zu sich heranzuziehen und endlich, endlich in seine Arme zu fallen. Aber sie bewegte sich nicht. Cyprian zögerte, dann lehnte er sich wieder zurück. Sein Gesicht war weiterhin im Schatten, und selbst wenn sie es hätte sehen können, ahnte sie, dass er sich nicht hätte anmerken lassen, wie sehr sie ihn verletzte. Sie spürte es dennoch. Sie spürte die letzten Säulen und Grundmauern wanken.
    »Wozu hat er dich verpflichtet?«
    »Ich habe mich wieder in seinen Dienst gestellt.«
    »Und die Aufgabe, die du für ihn erledigen sollst, hat dich zufällig nach Prag geführt. Was für ein Glück für mich.«
    »Agnes«, sagte er ruhig. »Ich bin hier. Spielt sonst noch etwas eine Rolle?«
    »Ist dein Lenker vertrauenswürdig?«
    Sie sah ihn überrascht stutzen. »Ja«, sagte er.
    »Gut.« Etwas in ihr schrie: Tu es nicht, tu es nicht so, gib ihm eine Chance! Sie ignorierte das Rufen. »Gib ihm den Befehl, sofort loszufahren. Jetzt. Wir verlassen den Wagen erst wieder, wenn wir ein Schiff besteigen, das in die Neue Welt fährt. Jetzt sofort. Sag es ihm.«
    Er rührte sich nicht. Agnes schnaubte.
    »Ich habe nichts anderes erwartet«, sagte sie, während neue Tränen ihre Stimme erstickten.
    »Ich halte mein Versprechen«, sagte er langsam. »Ich halte es nicht aus einer Verpflichtung heraus, sondern weil ich es will. Ich halte es, weil du der Mensch bist, mit dem ich mein Leben teilen will. Ich halte es, weil ich dich liebe. Aber ich muss zuerst etwas anderes erledigen.«
    »Weil du auch das versprochen hast!«, stieß sie hervor.
    Er nickte.
    »Du bist ein Füllhorn voller Versprechen«, zischte sie. »Immer kommt noch mal ein neues obendrauf. Wann wird das, das du mir gegeben hast, unter all den anderen vergraben sein?«
    »Es tut mir leid, dass

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