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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hätte gleichzeitig weinen mögen vor Anspannung. Der Weg zur Tür dauerte eine Ewigkeit und war vermint mit unebenen Dielen, über die man stolperte, schwingenden Brettern, die quietschten, und Hohlstellen unter der Vertäfelung, auf denen sogar eine Katzenpfote einen hallenden Tritt verursacht hätte. Als sie an der Tür war, fühlte Agnes die Kälte im Raum nicht mehr; ihre Wangen waren erhitzt. Sie zog die Tür zollweise auf und schloss bei jedem kleinen Knarr- und Quietschlaut die Augen vor Entsetzen. Sie war selbst am meisten erstaunt, als sie endlich im Treppenhaus stand und niemand wach geworden war.
    Am oberen Ende des Treppenabsatzes blakte ein blaues Flämmchen in einer Tranlaterne und würde vielleicht noch eine weitere Viertelstunde brennen; kurz vor seinem Ende würde ein halbwacher Dienstbote heranschlurfen und sich die Finger verbrennen beim Nachfüllen des Trans. Die Herren Wiegant und Wilfing ließen sich die Minderung des Risikos, sich bei einem nächtlichen Ausflug auf den Abtritt im geräumigen Treppenhaus den Hals zu brechen, etwas kosten. Am Treppenabsatz des ersten Stockwerks brannte eine weitere Laterne, eine dritte würde im Erdgeschoss zu finden sein. Agnes tastete sich auf Samtpfoten die Stufen hinunter.
    Die Eingangstür war zweiflüglig und hätte einem Türkenangriff geraume Zeit standgehalten. Unter den vielen Eisennägeln war das Holz kaum zu sehen; der Riegel war eine Angelegenheit aus Eisenbändern, Haken und Metallstangen, der das Jahresauskommen eines Schmieds samt Frau, Kindern und schmarotzendem Schwager gesichert haben musste. Agnes umklammerte ihn. Dann zögerte sie. Auf einmal war ihr klar, dass etwas enden würde, wenn sie dort hinausging, etwas, dessen Ende begonnen hatte, als sie sich auf dem Kärntnertor von Cyprian getrennt hatte. Die Monate seither waren nur eine Verzögerung gewesen. Zugleich würde etwas anderes beginnen. Ihre Hand erlahmte, als der Verräter, der in uns allen sitzt und auf den rechten Zeitpunkt wartet, um sich zu melden, hervorkam und sie fragte, ob der Komfort eines großen Hauses, eines reichen Ehemannes, einer gesichertenZukunft etwas war, das man unbedingt aufs Spiel setzen musste. Und wofür? Außerdem war es kalt, man war mangelhaft bekleidet und würde sich den Tod holen, ganz zu schweigen von der Nachtwache, die mit Sicherheit in dem Moment vorbeikam, an dem man im Hemd auf die Gasse huschte, und erklär diesen Skandal mal der Familie, die du bis jetzt mit Melancholie, Wortkargheit, Trotzanfällen und beständig finsterer Miene für dich eingenommen hast.
    Agnes hing am Riegel, plötzlich überzeugt, dass es egal war, was sie tun würde, weil alles in die Katastrophe führte, und dass der einzig richtige Schritt der gewesen wäre, im Bett zu bleiben und sich die ganze Nacht vorzusagen: Ich-kenne-keinen-Cyprian-Khlesl-ich-kenne-keinen-Cyprian-Khlesl … Dann legte sich eine Hand auf ihre Faust, und wenn sie mehr Kraft gehabt hätte, hätte sie wie am Spieß geschrien vor Schreck.
    »Der vermaledeite Riegel hat einen Federmechanismus«, sagte eine Stimme hinter ihr. »Wenn du ihn nicht arretierst, sperrst du dich aus.«
    Agnes drehte sich um auf Beinen aus Werg. Im Licht der Tranlampe ein paar Schritte entfernt schwamm das Gesicht ihrer Magd, in der Düsternis magisch verjüngt zu der Person, die Agnes, dem Kind, zum ersten Mal vorgestellt worden war, nachdem ihre Vorgängerin das Missfallen Theresia Wiegants erregt hatte. Fünfzehn Jahre waren eine lange Zeit. Das Gesicht lächelte traurig, bekam ein paar Falten und war wieder das Antlitz der ältlichen Frau, die allnächtlich neben Agnes im Bett schnarchte und bei der man sich darauf verlassen konnte, dass sie einen im letzten Moment an der Tür abfing und einen Mantel aufdrängte, weil es draußen angeblich zu kalt war und weil alle Kindermägde, die das Leben ihres Schützlings vierundzwanzig Stunden am Tag teilen, einen siebten Sinn haben, der ihnen sagt, wann ihr Lebensinhalt eine Tür öffnet, um draußen eine Dummheit zu begehen.
    »Ich habe dir einen Mantel mitgebracht«, sagte die Magd und hängte ihn der widerstandslosen Agnes um die Schultern.
    »Es ist Cyprian«, sagte Agnes. »Er ist wieder da.«
    »Ich weiß, Kindchen. Seit gestern. Er hat sich nach dir erkundigt, aber ich durfte es dir nicht verraten. Er ist jetzt ein Hochwürden.«
    Agnes fühlte die Tränen, die jeder Herzschlag ihr in die Augen treiben wollte. Sie hatte geglaubt, sie hätte ihn verloren. Nun wusste sie, dass

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