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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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von einem der Steine abgewischt. Ich musste mir beim Husten nur in die Hand spucken, und es sah echt aus.« Er wischte die Hand an seiner Hose ab und betrachtete dann die Knöchel. »Das hier ist allerdings echt.« Er begann an den aufgeplatzten Stellen zu saugen.
    »Verdammt, Cyprian, du Idiot«, platzte es aus ihr heraus. »Wie kannst du mich glauben machen, du würdest sterben!? Tut man so was – unter Freunden?!«
    Er zuckte mit den Schultern und ließ von seiner Hand ab. Agnes überbrückte die Distanz zwischen ihnen mit einem letzten Schritt. In ihrem Inneren herrschte ein Aufruhr, in dem Erleichterung, Freude, Wut und die überstandene Angst einen Wirbelwind durch ihr Herz drehten. Sie wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab, den Aufruhr zu überstehen – eine Berührung Cyprians. Sie nahm seine zerschundene Hand und starrte sie an.
    »O Gott, das sieht ja aus!«, schluchzte sie. Dann sank sie gegen Cyprian. Er nahm sie in die Arme, drückte sie an sich und wiegte sie hin und her, ließ sich das Wams vollheulen und streichelte über ihre Haare, bis der Anfall vorüber war. Schließlich sah sie zu ihm hoch, seine funkelnden Augen, das breite Jungengesicht unter dem kurz geschorenen Haar, die kleinen Kerben um die Mundwinkel, und hatte das Gefühl, dass alles gut war, solange dieses Gesicht nur über sie gebeugt war und solange diese Arme sie festhielten.
    »Warum bist du hier heraus gelaufen?«, fragte Cyprian.
    Ein Schatten legte sich über ihr Herz, das gerade noch so offen gewesen war, die Erinnerung an die kalten Worte des Mannes in der Stube ihres Hauses und die Antworten ihres Vaters. Sie fühlte Cyprians Berührung, roch seinen Geruch nach Straßenstaub und Schweiß und versuchte ihm zu sagen, dass sie in Wahrheit ein Bastard war und ihr Leben eine Lüge und dass sie vor einer Eröffnung geflohen war, die sie tatsächlich schon immer geahnt hatte, und dass es weniger die Überraschung gewesen war, die sie zur Flucht getrieben hatte, sondern mehr die Bestätigung dessen, was sie tief in ihrer Seele gefürchtet hatte – doch ihr Herz überholte ihre Gedanken, und sie stieß hervor: »O mein Gott, Cyprian, mein Vater will mich verheiraten!«
    6
    Ein frischer Julimorgen mit einer leichten, von den Bergen her wehenden Brise – und dennoch roch es in ganz Pamplona nach Stierpisse. Pater Hernando verzog das Gesicht und versuchte die Jakobspilger zu überholen, die langsam vom Frankentor her zur Kathedrale hinaufklommen, beladen mit den Sünden, die sie auf der Pilgerfahrt loszuwerden hofften, an die sie vor Anbruch der Wallfahrt kaum gedacht hatten und die jetzt umso schwerer wogen, je näher sie Santiago de Compostela kamen. Der Ruch von Heiligkeit in den spanischen Städten am Fuß der Berge schien die Last zu verdoppeln; in Pater Hernandos Fall war es jedoch der Ruch, der aus den verschwitzten Mänteln aufstieg und sich ungesund mit dem scharfen Stiergeruch mischte. Er nahm die Brille ab, verbarg sie in einer Hand und drängte sich durch die Menge der Schlurfenden hindurch, nun nur noch eine Ansammlung unscharfer Schemen mit doppelten und dreifachen Rändern; die Brille verhalf immerhin zu halbwegs scharfer Sicht, wenngleich auch sie die Mehrfachränder nicht mehr zu beseitigen vermochte. Der Weg zur Cuesta de Santo Domingo war ihm so vertraut, dass er ihn auch blind gefunden hätte. Vielleicht wirst du ihn bald blind finden müssen, raunte eine Stimme in seinem Inneren; die Gläser der Brille hast du erst vor einem guten Jahr neu schleifen lassen.
    Vor der Statue von San Fermin war ein Altar aufgebaut; der Gottesdienst war vorüber, aber es standen immer noch Menschen herum und plauderten. Ihre Gesichter waren erhitzt. Es war der dritte Tag der Sanfermines, sechs weitere Tage voller Festivitäten und Stierblut lagen noch vor den Pamplonesern – und die Gassen ihrer Stadt stanken bereits wie das Zelt einer Nutte in einem deutschen Heerlager. Pater Hernando setzte die Brille wieder auf und spähte herum. Nach ein paar Augenblicken sah er die purpurnen Birette in ihrem Ring aus metallenen Helmen. Er kämpfte sich zu ihnen durch, kniete nieder und küsste die beiden Ringe, die ihm entgegengehalten wurden.
    »Was hört man?«, fragte Kardinal de Gaete.
    »Ein paar junge Männer in verschiedenen Stadtvierteln sollen Wetten auf den letzten Tag der Sanfermines abgeschlossen haben – wer kann am längsten vor den Stieren herlaufen, wenn sie von ihren Korralen durch die Stadt getrieben werden? Wer es

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