Die Teufelsbibel
entschied ihr Herz. Sie fiel neben Cyprian auf die Knie, der sich auf den Bauch gedreht hatte und sich zusammenkrümmte.
»Halt!«, schrie der junge Mann, dessen Mutter aus dem Wiegant’schen Haus geworfen worden war. »Das ist doch – das ist ein Trick!«
»Scheiß auf den Trick!«, brüllte der Anführer der Wegelagerer, der schon eine beachtliche Entfernung zurückgelegt hatte.
Cyprian stöhnte. Agnes legte ihm hilflos eine Hand auf die Schulter. Der junge Mann, der als Einziger zurückgeblieben war, fluchte, legte mit ein paar Sätzen die Distanz zwischen sich und Agnes zurück, griff in ihr Haar und zerrte sie von Cyprian weg. Agnes schrie auf und fiel zu Boden. Schmerztränen schossen ihr in die Augen. Er versuchte sie weiterzuschleifen.
»Das ist ein Trick!«, schrie er. »Ich kenne den Kerl auch. Er wohnt gegenüber!« Die Straße war leer. Agnes spürte durch den Schmerz in ihrem Schädel die Wut und Verblüffung ihres Peinigers. Es war, als wären seine Kumpane nie da gewesen. Irgendwo verklangen hastige Schritte. »Das Schwein steckt voller Tricks, verdammt noch mal!«
»Da hast du recht, Freundchen«, sagte Cyprians sonore Stimme.
Agnes riss die Augen auf. Cyprian stand dicht vor ihnen, sein übliches leichtes Lächeln auf den Lippen. Er sah an ihr vorbei dem Mann, der ihre Haare gepackt hielt, gerade in die Augen.
»Ich wusste es doch!«, schrie der junge Mann. »Aber diesmal hast du dich verrechnet, du Arschloch, ich stech das Miststück ab!«
Cyprians Faust flog an Agnes’ Gesicht vorbei und traf in etwas, das knirschte und brach. Die Finger in ihrem Haar lösten sich. Der Mann hinter ihr heulte auf. Cyprian schlug ein zweites Mal zu, und der Treffer hörte sich an, als wäre er in etwas Nassem gelandet. Agnes wurde beiseitegeschoben. Der Wegelagerer heulte noch lauter. Cyprian machte einen Schritt an Agnes vorbei. Sie drehte sich um.
Der junge Mann war zurückgetaumelt. Er hielt sich das Gesicht. Unter seinen Fingern lief das Blut hervor und tropfte auf den Boden. Seine Stimme hörte sich dicklich an. »Du Drecksau«, gurgelte er. Er riss die Arme hoch – seine untere Gesichtshälfte schwamm in Blut, seine Nase war blaurot und platt in sein Gesicht gedrückt – und machte einen seltsamen Sprung, an dessen Ende sein Fuß hochschnellte; Cyprian fing den Stoß mit beiden Händen ab, hielt den Fuß fest, landete einen weiteren Treffer auf dem Kiefer seines Gegners und drehte den Fuß dann herum. Der junge Mann stürzte zu Boden. Er schrie vor Schmerz und Wut, warf sich in einer Staubwolke herum und kam wieder auf die Beine. Seine Hand fuhrzu seinem Gürtel und kam mit einem Messer wieder zum Vorschein. Cyprian schlug mit der Faust gegen sein Handgelenk, das Messer flog davon, die andere Faust verschwand in der Magengrube des Mannes. Er fiel zu Boden und krümmte sich.
»Ich … mach … dich … fertig …«, stöhnte er und klaubte nach einem faustgroßen Stein, während er ein zweites Mal auf die Beine zu kommen versuchte. Sein Atem pfiff nass durch seine gebrochene Nase.
»Jetzt ist aber Schluss«, sagte Cyprian. Er verschränkte die Fäuste und landete einen mächtigen Hieb auf der Schläfe seines Gegners. Der junge Mann fiel wie ein Sack zu Boden, rollte sich auf den Rücken und stöhnte halb besinnungslos. Seine Beine zuckten, aber er versuchte nicht mehr, den Kampf fortzuführen. Cyprian stand über ihm und schüttelte den Kopf. Dann drehte er sich zu Agnes um.
»Bist du in Ordnung?«, fragte er. »Ich war leider nicht schnell genug, sonst hätte ich verhindert, dass er dich an den Haaren …«
»Ich dachte, du stirbst an der Pest«, sagte Agnes. Es war das Erste, das ihr einfiel.
»Tut mir leid«, sagte er. »Es kam darauf an, dass sie es glaubten. Ich konnte dich nicht warnen. Tut mir leid.«
»Ich dachte«, sagte sie und versuchte vergeblich, das hinunterzuschlucken, was ihr in die Kehle stieg, »ich sehe dir beim Sterben zu.«
»Tut mir Lleid«, sagte er zum dritten Mal.
Sie begann zu weinen. »Ich dachte«, stammelte sie, »… und dann wusste ich plötzlich – und es tat so weh!«
»Sssch«, machte er. Er tat einen Schritt auf sie zu, dann blieb er stehen. »Ich wollte dir keine Angst einjagen. Aber mit all den Kerlen auf einmal wäre ich nicht fertig geworden.«
»Deine Hand – der blutige Auswurf –«
Cyprian sah auf seine Hand. Die Knöchel waren aufgeplatzt. Er drehte die Handfläche nach oben. »Als ich das ersteMal auf die Knie sank, habe ich Blut
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