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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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kleiner Schnitt zu sehen war. »Ich habe einen Splitter abgekriegt, das ist alles.«
    »Täter?«
    »Nicht gefunden. Es steht natürlich außer Frage, dass es einer aus dem Gesinde war, ebenso wie es außer Frage steht, wer ihn bezahlt hat.«
    Cyprians Blick ruhte immer noch auf seinem Onkel. »Hast du wieder einen Klagebrief an den Papst geschrieben?«, fragte er schließlich mit leichtem Lächeln. »Du weißt doch, dass deine Nachrichten abgefangen werden.«
    »Manchmal muss man sich eben Luft machen«, brummte der Bischof und starrte missmutig zum Fenster hinaus.
    »Hast du die kaiserlichen Hofräte wieder als Quellen allen Übels, als Unterstützer gottloser Prälaten und als Anstifter des Aufruhrs gegen deine Bischofswürde beschuldigt und sie als Parasiten und den Hof als Misthaufen bezeichnet?«
    »Schlimmer«, sagte Melchior Khlesl düster, ohne näher zu erklären, was noch schlimmer sein konnte.
    Cyprian trat vom Fenster zurück und betrachtete den überfrachteten Arbeitstisch seines Onkels. »Wachstäfelchen und Leinwandbahnen. Was glaubst du, wo die Schriften jetzt sind?«
    »Cyprian, wie ich ohne Zweifel schon hundertmal erklärt habe, –«
    »– sind die Wachstäfelchen und die Leinwand nicht mehr da, so wie die griechischen Steintafeln nicht mehr da sind, von denen die Römer auf die Wachstafeln übertragen haben, so wie es die ägyptischen Schriftzeichen nicht mehr gibt, von denen die Griechen abgeschrieben haben.«
    »Und und und«, sagte Melchior Khlesl. »Zurück bis zu Sodom und Gomorrha, bis zur Sintflut, bis zu Kains Mord an Abel, wenn du willst.«
    »Und du glaubst, so eine lange Kette kannst du einfach durchtrennen, indem du die letzte Ausgabe dieses Vermächtnisses des Bösen vernichtest.«
    »Was ich persönlich glaube, ist, dass die Möglichkeit des Scheiterns sehr groß ist«, sagte der Bischof und warf Cyprian einen raschen Seitenblick zu. »Was ich aber auch glaube, ist, dass wir es versuchen müssen , weil das Böse immer dann unbesiegbar wird, wenn niemand auch nur den Versuch wagt, sich dagegenzustemmen.«
    Cyprian lächelte. Melchior Khlesl hustete, zerrte an seinem Pelz und erschauerte. Cyprian fasste hinüber und zog den Pelz an den schmalen Schultern seines Onkel zurecht. Sie sahen sich in die Augen. In diesem Augenblick wirkten sie trotz aller Unterschiedlichkeit – hier der alternde, hagere Bischof mit dem müden Gesicht, dort sein junger, bulliger Neffe, der es liebte, sein Haar kurz zu scheren, obwohl er damit aussah wie ein minderbemittelter Bauer mit locker sitzenden Fäusten – wie Vater und Sohn. Cyprian war von Anfang an der Protegé seines Onkels gewesen, der Cyprians älteren Bruder und all seine jüngeren Schwestern ignoriert hatte; und Cyprian hatte die Geschenke des aufstrebenden Klerikers – meistens Lektionen, Reisen, Einladungen zum Essen mit Doktoren, Professoren und anderen hochgebildeten Kirchendienern – akzeptiert, genossen, umgesetzt und in der Regel die Erwartungen Melchior Khlesls übertroffen. In dem Alter, in dem die erstgeborenen Söhne von Fürsten an andere Höfe überwechselten, um dort eine Ausbildung und Geiselhaft in einem zu absolvieren, und in dem die erstgeborenen Söhne von Kaufleuten bei Geschäftspartnern in die Lehre gingen, hatte Melchior Khlesl seinen Neffen in die Jagd eingeweiht, der er sein eigenes Leben gewidmet hatte.
    »Lebt dein Vorkoster noch?«, fragte Cyprian.
    Der Bischof zog eine Grimasse. »Ich habe mir nur einen Zug eingefangen, das ist alles. Wenn man versucht hätte, mich zu vergiften, lägen jetzt ein paar Leichen in diesem Palast herum.«
    »Auch Vorkoster können bestochen werden.«
    »Ich rede von meinen Hunden. Die probieren alles, bevorich es esse. Meinem Vorkoster traue ich schon lange nicht mehr. Ich gebe ihm nur zu kosten, damit es ihn wenigstens auch erwischt, wenn mir einer mit Gift an den Kragen will.« Melchior Khlesl zog eine Braue in die Höhe. Das Lächeln in seinem Gesicht erlosch. »Cyprian, irgendwann springe ich zu spät zur Seite, und dann treffen mich die Dachziegel. Ich möchte dich zu meinem Erben machen. Ganz offiziell. Ich möchte dich an Sohnes statt annehmen. Ich möchte, dass du eine Karriere in der Kirche anstrebst. Ich möchte dich am Hof einführen und dich in alle Beziehungen, die ich über die ganzen Jahre hinweg in Rom und zum Kardinalskollegium aufgebaut habe, einbinden. Ich möchte, dass du meine Arbeit fortführst, wenn ich tot bin, und das kannst du nur, wenn du eine

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