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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Juwelen gebeugten Gestalten zu, in deren Händen die Wahl des nächsten Führers der Christenheit lag und aus deren Mitte er hervorgehen würde. Er konnte nicht anders als sich beklommen fühlen. Ein Abend mit Kardinal de Gaete hatte ihm erschlossen, wie anfällig für Korruption und Erpressung dieser ganze Vorgang war und wie wenig heilig sich das Heilige Kollegium in den nächsten Tagen verhalten würde. Pater Hernando hatte sich für einen Zyniker gehalten. Im Vergleich zu Kardinal de Gaete und den meisten anderen der Männer, hinter denen sich die von Schweizergardisten bewachten Tore schlossen, war er ein geradezu naiver Glaubender. Er hoffte, dass aus all dem Sarkasmus und den politischen Kungeleien letzten Endes doch das herauskommen würde, was nötiger war denn je: den Mann zum Papst zu wählen, der die größte Waffe, die ihnen jemals gegen das Böse und die Ketzerei in die Hände gefallen war, auch benutzen würde.
    Noch haben wir sie nicht gefunden, dachte Pater Hernando. Er seufzte. Aber Pater Xavier würde das Vermächtnis des Satans auftreiben. Hernando zweifelte keine Sekunde daran, dass sich sein Bruder in dominico vom Grundsatz, dass die Kirche das Blut scheut, keine Sekunde abhalten lassen würde, jedes Hindernis zwischen sich und seinem Ziel gründlich zu vernichten. So viele weitere böse Taten, um dem Guten zum Sieg zu verhelfen – Pater Hernando war unsicher, ob irgendwo in Jesu Christi überlieferten Worten auch nur einmal davon die Rede war, dass man Gewalt anwenden musste, um den Glauben zu bewahren.
    Die Menge blieb vor dem Tor versammelt, durch welches das Heilige Kollegium verschwunden war, als ob damit zu rechnen gewesen wäre, dass man das Ende des Konklaves abwarten konnte. Pater Hernando drängte sich aus dem Gewühl. Er hatte noch nie Schwierigkeiten damit gehabt, dem Flehen der Ketzer nach Gnade bei der peinlichen Befragung zuzuhören und dem Henker ein Zeichen zu geben, die Befragung zu verschärfen; das Gebrüll der bei lebendigem Leib Verbrennenden und der Anblick der schmorenden Fleischklumpen in den eisernen Ringen, zu denen sich die Körper am Ende des Autodafés reduziert hatten, hatte ihn kein einziges Mal bedrückt. Er hatte seine Pflicht mit reinem Gewissen getan, hinterher für die Seelen der Geläuterten gebetet und sich dann die Akten der nächsten Delinquenten vorgenommen. Heute jedoch erfüllte ihn eine Angst und Unsicherheit, die er nie gekannt hatte. Er stellte sich vor, wie Pater Xavier mit der Teufelsbibel in Rom ankam, und obwohl er nicht die geringste Vorstellung davon hatte, wie das Vermächtnis des Bösen aussah, sah er dennoch den greifbaren Schatten in aller Deutlichkeit, der sich mit seiner Ankunft über die Stadt legte. Pater Hernando erschauerte.
    Der Dom von Sankt Peter war offen und würde es die ganze Zeit über bleiben, bis der neue Papst gewählt war.
    Pater Hernando stolperte durch Gerüste und Sackleinen in die ewige Baustelle hinein und sank wenige Schritte nach dem Eingangsportal auf die Knie, die Hände vor dem Gesicht gefaltet und die Augen geschlossen. Sein Flüstern klang wie das Flattern kleiner Flügel im gewaltigen hallenden Dom. Und ob ich auch wandle durch das Tal der Angst, ich fürchte nichts, denn Du bist bei mir … darum vertrauen auf Dich, die Deinen Namen kennen; denn Du hast nicht verlassen, die Dich, HERR, suchten … tue mir kund den Weg, darauf ich gehen soll; denn zu Dir erhebe ich meine Seele …
    Pater Hernando öffnete die Augen und richtete den Blickauf die Figur des Gekreuzigten beim Altar. Als wäre er ein tumber Mönch und nicht einer der Exzellentesten seines Ordens, hoffte er, dass ein Zeichen geschehen und die Gestalt am Kreuz ihm zunicken oder zulächeln würde. Doch Jesus Christus hatte den Kopf gesenkt. Seine Augen blickten an Pater Hernando vorbei ins Leere, und ungeachtet der Düsternis in der Kirche und der weiten Entfernung glaubte Pater Hernando einen Ausdruck von Abscheu in dem geschnitzten Gesicht wahrzunehmen.
    Am Abend des ersten Tages leerte sich der Dom. Es blieben dennoch genügend Betende, Ratsuchende und Sensationslüsterne zurück, so dass niemandem die schwarzweiße Gestalt auffiel, die sich an einer Säule zusammengerollt hatte und in einem unruhigen Schlaf seufzte und zuckte. In der Nacht wagte sich ein einsamer Kirchgänger an die Gestalt heran, hielt ihr die Hand dicht vor Mund und Nase, und als sie nicht aufwachte, ging er daran, die Taschen des Habits zu durchsuchen. Dominikaner standen

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