Die Teufelsbibel
im Ruch, ihre Aufgabe als die Wachhunde des Herrn versilbert zu bekommen, und wenn einer von den Kuttenträgern so dämlich war, in der Kirche einzuschlafen, dann wollte selbst Gott, dass man ihn um seinen Wohlstand erleichterte. Doch der Dieb fand nichts außer einer Brille, mit der er nichts anzufangen wusste, und einem silbern schimmernden Kruzifix, und das abzureißen reichte seine Unverfrorenheit nicht aus. Ärgerlich über die Ergebnislosigkeit seiner Suche und über seine eigene Feigheit drehte er sich mit dem Rücken zum Kruzifix, so dass der Heiland nicht sehen konnte, was er tat, holte sein Glied heraus und pisste dem schofeligen Dominikaner auf die Kutte.
Den zweiten Tag des Konklaves verbrachte Pater Hernando in fieberndem Gebet und in eine Glocke aus Uringeruch eingehüllt, den er nicht wahrnahm. Das Gesicht des Gekreuzigten sah immer mehr wie das von Papst Gregor aus,das Blut auf seiner Stirn schwarz von dem Gift, das Pater Hernando ihm verabreicht hatte. Was hatte er getan – was hatte er getan ? Herr Jesus Christus, Abraham wollte seinen einzigen Sohn opfern um deinetwillen; auch ich habe einen unschuldigen Menschen geopfert um deinetwillen und um die Christenheit zu bewahren. Er merkte nicht, wie das Licht, das durch die Kirchenfenster fiel, im Lauf eines ganzen Tages die Schatten vor sich hertrieb, ohne sie aus dem Gotteshaus tilgen zu können, wie die Schatten von jeder Stelle, die das Licht verließ, wieder Besitz ergriffen.
Irgendwann rissen ihn großes Geschrei und Gejubel und eine Hand, die ihn an der Schulter schüttelte, aus dem Fieber. Er taumelte mit den anderen hinaus. Die Gassen waren schwarz vor Menschen, die tanzten und klatschten und einen Namen riefen, den er nicht verstand. Die Menge spie ihn vor dem Tor aus, durch welches das Heilige Kollegium ins Konklave gegangen war. Die Tore standen offen. Hinter den bunten Landsknechtsuniformen der Schweizergardisten erblickte Pater Hernando Gestalten im Kardinalspurpur; der Purpur sah im Schatten aus wie geronnenes Blut. Das Geschrei und der Jubel entfernten sich vom Ort des Konklaves mit dem Tempo, das ein Fähnlein Gardisten an den Tag legt, das sich – seinen kostbaren Schützling in der Mitte – einen Weg durch die Menge bahnt. Der neue Papst war unterwegs zur Sixtinischen Kapelle, um dort sein Gewand anzulegen und dann wieder zum Konklave zurückzukehren. Pater Hernando stand unter den Leuten, die um ihn herumliefen und ihn stießen oder beiseiteschubsten, wie einer, der soeben erwacht ist und nicht weiß, ob die Wirklichkeit nicht noch schlimmer wird als sein Alptraum. Er sah einen Schweizergardisten auf sich zukommen und hörte ihn etwas sagen; ohne es verstanden zu haben, folgte er dem Mann. Der Gardist führte ihn zu Kardinal de Gaete und Kardinal Madruzzo.
Das Schildkrötengesicht von Cervantes de Gaete sah starraus. Madruzzo hatte seinen Handschuh abgenommen und biss erbittert auf seinen Fingernägeln herum. Er rümpfte die Nase, als Pater Hernando in seine Nähe kam, und hielt sich unwillkürlich den parfümierten Handschuh vors Gesicht.
»Innozenz IX.«, raschelte die Stimme Kardinal de Gaetes. »Ich hätte erwartet, dass er sich Julius nennen würde. Wir brauchen einen kriegerischen Papst, keinen, der die Unschuld auf seine Fahne schreibt! Wie sehen Sie denn aus, Pater? Sie machen ein Gesicht, als wüssten Sie es noch nicht: Habemus papam .«
»Ich weiß es«, sagte Pater Hernando heiser.
»Wissen Sie, wo Ihr dominikanischer Bruder ist? Pater Xavier?«, bellte Kardinal Madruzzo.
»In Prag.«
»Wo genau?«
»Ich –«
»Wir werden ihn auf keinen Fall zurückpfeifen!«, schnappte Kardinal de Gaete. »Verfallen Sie bloß nicht in Panik, Madruzzo – ein altes Waschweib ist der Felsen von Gibraltar gegen Sie, bei der Liebe Christi!«
»Was wollen Sie! Es ist doch alles aus!«, stöhnte der deutsche Kardinal.
»Nichts ist aus. Unser Kreis hat sich nur um einen Mitstreiter verkleinert, das ist alles. Wir werden einen neuen Mann finden, der die Lücke schließt. Glauben Sie, ich gebe jetzt auf? Wo wir so nahe dran sind wie noch nie?«
»Aber was wollen Sie denn tun?« Madruzzo machte eine resignierte Geste. »Da wäre es noch besser gewesen, irgendeinen Papst zu haben als ausgerechnet ihn! Hätten Sie doch die anderen bedrängt, mich zu wählen! Ich hatte im ersten Durchgang immerhin acht Stimmen.«
Pater Hernando sah von einem der Kardinäle zum anderen. Die Augen von Cervantes de Gaete funkelten, polierte
Weitere Kostenlose Bücher