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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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von Schritten und zornige Flüche zu hören. Cyprians Bruder schluckte und sah von Cyprian zur Tür und wieder zurück. »Bitte!« Cyprian streckte die Hand aus, aber die Kette war zu straff. Er konnte seinen Bruder nicht erreichen. »Bitte!«
    »Was immer eure Pläne waren, du hast sie zerstört«, sagte Cyprians Bruder. Die anderen Wächter platzten zur Tür herein, die Stöcke erhoben und die Fäuste geballt. Sie stießen Cyprians Bruder beiseite und stürzten sich auf Cyprian. Er ging unter dem Anprall eines halben Dutzends aufgebrachter Männer zu Boden. Er spürte Faustschläge und die rohen Griffe, mit denen man seine bisher freie Hand in eine eiserne Schelle zwang. Noch einmal schaffte er es, sich freizustrampeln.
    Sein Bruder stand mit bleichem Gesicht an der Tür. »Die Wiegants sind ebenfalls heute Morgen abgereist«, sagte er leise, doch Cyprian konnte ihn über den ganzen Lärm und das Gefluche hinweg hören. Eine Hand legte sich um seine Stirn und knallte ihn mit dem Hinterkopf gegen den Boden. Die Umgebung zerstob in einem Funkenregen.
    »Wohin?«, schrie Cyprian und bäumte sich auf. Sein Schädel schien bersten zu wollen. Die Hand legte sich erneut um seine Stirn, und er riss blitzschnell den Kopf beiseite und biss in einen Handballen. Der Besitzer des Handballens, irgendwo im Gewühl der Arme, Beine und Fäuste verborgen, kreischte.»Wohin?!«, brüllte Cyprian und spuckte das Blut von der Bisswunde aus. »WOHIN?!«
    Dann waren sie über ihm, drückten ihm die Luft ab und stießen und traten und droschen den letzten Widerstand aus ihm hinaus.
    19
    Pater Xavier rollte die Botschaft zwischen den Fingerspitzen, die für die Brieftaube vorgesehen war. Es war ihm mit seinem schwächer gewordenen Augenlicht schwergefallen, sie zu schreiben, aber er hatte niemanden, dem er diese Aufgabe hätte anvertrauen können.
    Hinweis auf Ziel erhalten , hatte er geschrieben. Details unklar. Gibt es Informationen über ein Massaker an Frauen und Kindern ?
    Welche Antwort hoffte er von den Männern zu erhalten, denen er berichtete? Er war vor Ort, oder nicht? Die Geschichte der Teufelsbibel kannte er mittlerweile so gut wie die anderen – jedenfalls besser, als sie vermutlich dachten. Ein Mönch hatte sie geschrieben, der Überlieferung nach mit Hilfe des Teufels. Kaiser Friedrich, der Antichrist, hatte sie an sich genommen. Im Geheimarchiv war der Codex nicht angekommen; dort war die Kopie gelandet. Was sprach dagegen, dass stattdessen das Original an den Ort zurückgekehrt war, an dem es entstanden war? Und wo war dieser Ort?
    Pater Xavier rollte das Papier zu einem Kügelchen zusammen. Er ließ das Kügelchen in den Kelch der Wachskerze fallen, die auf seinem Tisch brannte. Im nächsten Augenblick flackerte es auf, über der Kerze standen plötzlich zwei Flammen. Die schwarzen Augen Pater Xaviers spiegelten vier Flammen wider.
    Es gab noch eine weitere Botschaft, die er seinen Auftraggebern hätte senden müssen. Sie betraf Kardinal Facchinetti. Sie betraf einen Mann, den der Kardinal in Wien getroffen hatte, während die anderen Verschwörer glaubten, er sei in Prag gewesen. Pater Xavier hatte herausgefunden, dass Facchinettis Ansprechpartner Melchior Khlesl war, der Bischof von Wiener Neustadt. Worum es in den Gesprächen der beiden Männer gegangen war, hatte er nicht in Erfahrung gebracht, doch ihm war zugetragen worden, dass Bischof Khlesl sich in Wien eingehend nach der Herkunft einer bestimmten Person erkundigt hatte. Die Person hieß Agnes Wiegant. Die vier Flammen in Pater Xaviers Augen flackerten und wanden sich, dann brannten sie wieder ruhig. Pater Xavier beabsichtigte, diese Botschaft für sich zu behalten. Er lächelte, ohne dass das Lächeln sich in seinem Gesicht gespiegelt hätte.
    Seine Gedanken wanderten zu dem jungen Mann, der, wie ein Aussätziger von allen gemieden, im weitläufigen Gelände des Hradschin lebte, allein in einem windschiefen Haus in der Goldmachergasse, ein einsamer Wolf, der durch einen Wald aus Verachtung schnürte. Er dachte an die Geschichte, die Kaiser Rudolf hatte hören wollen, während er sich im Inneren seiner Wunderkammer zitternd an die Tür drückte und sich einredete, er habe nur ein Gespenst auf der Treppe in den Dienstbotentrakt gesehen – ein Gespenst – nur ein Gespenst. Er dachte an die unbeholfene Version dieser Geschichte, die der Reichsbaron Rozmberka ihm verraten hatte, zusammen mit einer Menge anderer Informationen, von denen der Reichsbaron

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