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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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nur noch ein schwarzer Punkt im Unschlitt seiner Kerze zeugte, war kurz gewesen: Das Hämmerchen hat gesprochen: Erwache . Das Hämmerchen war das Instrument, mit dem nach alter Überlieferung der Kammerherr des Papstes dem Verstorbenen an die Stirn klopfte und dreimal fragte: »Schläfst du?«, um dann zu verkünden, dass der Pontifex wahrhaftig tot sei. Demnächst würde das neue Konklave einberufen werden. Er wusste nicht, welche Strategie Kardinal de Gaete und sein Kreis aus Verschwörern nun verfolgten, aber er ahnte, dass es ein schwieriges Konklavewerden und nicht in wenigen Tagen beendet sein würde. Nun, umso besser. Pater Xavier wusste genau, was er zu tun hatte, aber je mehr Zeit ihm zur Verfügung stand, desto besser. Sobald der neue Papst gewählt war, würde er eine weitere Botschaft erhalten, die ihn nach den Fortschritten seiner Arbeit befragte, und er wollte sie beantworten können. Er betrachtete seine rechte Hand, während er durch die Gassen ging, und ballte sie, als habe er schon mit dem Verformen des Wachses darin begonnen.
    Das Kloster der heiligen Agnes lag im Nordosten der Altstadt, am Ende des fast rechtwinkligen Bogens, den die Moldau beschrieb, um dem Höhenzug auszuweichen, auf dem auch der Hradschin stand. Jenseits der Klostermauern war nur noch ein schmaler Uferstreifen, auf dem in den drei anderen Jahreszeiten Boote und Flöße lagen. Das Kloster war ein weitläufiger Bezirk im Gassengeflecht zwischen Sankt Kastulus und Sankt Simon und Juda, und es war zum größten Teil eine Ruine. Wie überall in Böhmen hatten auch hier die Hussitenkriege ihre Spuren hinterlassen und schienen zu zeigen, was aus dem gesamten Reich werden würde, wenn man das Ketzertum nicht bekämpfte. Am Ende der Auseinandersetzungen war das Kloster verlassen gewesen; vor vierzig Jahren hatten Dominikaner begonnen, es in Besitz zu nehmen, als sie ihr ursprüngliches Kloster bei der Karlsbrücke zu Gunsten der Jesuiten hatten aufgeben müssen.
    Dies war der eine Grund gewesen, warum Pater Xavier das Agneskloster gewählt hatte: weil es von Brüdern seines eigenen Ordens geführt wurde. Der andere Grund war, dass mit den Dominikanern Zug um Zug auch die Klarissen zurückgekommen waren, die das Kloster in Gemeinschaft mit den benachbarten Minoriten ursprünglich errichtet hatten. Ihre Gruppe war klein und beschränkte sich auf den Dienst an der Gesellschaft, den sie als am dringendsten notwendig empfanden: die Sorge um gefallene Frauen. Die Klarissen lebten im Südtrakt des Klosters, der früher den Minoriten gehört hatte. Es hieß, die Sterblichkeitsziffer unter den Schützlingen der Klosterschwestern sei nur unwesentlich höher als die bei einem Türkenfeldzug.
    Die Mutter Oberin war ein kleiner Vogel von einer Frau; weniger ein Sperling als ein Falke, dachte Pater Xavier. In ihr hatte er eine Grausamkeit kennen gelernt, die ihm bislang unbekannt gewesen war: die Grausamkeit der Barmherzigen. Die Mutter Oberin wusste, dass sie nur einem ganz geringen Prozentsatz der Mädchen, die sie zu sich nahm, helfen konnte; den anderen sah sie zu, wie sie an Krankheiten verendeten, aus Kummer eingingen, an Verletzungen krepierten, die ihnen ein brutaler Freier in irgendeiner Gasse zugefügt hatte, wie sie innerlich verbluteten, die rostigen Eisenhaken, mit denen die Engelmacherinnen bei ihnen zugange gewesen waren, noch im Schoß.
    »Danke für Ihre Nachricht, Schwester Oberin«, sagte Pater Xavier und lächelte.
    »Die arme Seele hat es verdient«, sagte die Oberin. »Sie werden nicht enttäuscht sein.«
    Bei seinen ersten Vorsprachen hatte er von der Oberin nur eine schemenhafte Gestalt gesehen, verborgen hinter dem kleinen Gitterfenster in der Zelle, durch das sie miteinander kommuniziert hatten. Schließlich hatte er sie überzeugen können, ihn wenigstens in die Außenbezirke des Klosterbereichs einzulassen und mit ihm von Angesicht zu Angesicht zu sprechen.
    »Sie erfüllt die Anforderungen?«
    »Jung und hübsch«, sagte die Oberin und verzog das Gesicht. »Wenn ich nicht um Ihre vollkommen aufrechte Gesinnung und Frömmigkeit wüsste, Pater Xavier, würde ich diese Forderung als abstoßend empfinden.«
    »Das Mädchen wird vor den gekrönten Häuptern derChristenheit singen«, erklärte Pater Xavier. »Sie und ich wissen, dass die eigentliche Schönheit von innen kommt – aber Sie wissen doch genauso gut wie ich, wie man draußen in der sündigen Welt denkt.«
    Die Oberin, die als Kind in ein Kloster der Klarissen

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