Die Teufelshure
fehlender Alternativen auf einem viel benutzten Pfad befanden. Von dort aus ritten sie weiter nordwestlich auf versteckten Nebenwegen an Loch Dohert vorbei bis Tayndrom. In Absprache mit Ruaraidh entschieden sie sich, das Gebiet des feindlich gesinnten Marquess von Argyll zu umgehen und auf einer schlechteren Straße nach Norden in die Berge zu ziehen, um von dort aus über Loch Leven zum Loch Iol zu gelangen. Johns Ziel war Tor Castle, ein monströses steinernes Fort aus den Zeiten der früheren schottischen Könige – und der momentane Hauptsitz der Camerons of Loch Iol. Seit geraumer Zeit war es ein Stützpunkt der Royalisten, soweit John zu Ohren gekommen war. Montrose hatte dort’45 gegen die Covenanters in einer blutigen Schlacht gekämpft und gewonnen. John stellte sich für einen Moment die Frage, was ihn bei seinen Stammesbrüdern erwartete. Ob sie es ihm übelnahmen, dass er die Armee von Montrose und MacColla so ruhmlos im Stich gelassen und ob er damit in ihren Augen die Interessen der Highlands verraten hatte?
Nach einem mühsamen Aufstieg gelangte die kleine Truppe zum Gebiet der MacDonalds of Glencoe und damit in das Refugium von Iain MacIain, Madlens despotischem Vater.
John ahnte, dass Madlen sein Vorgehen missbilligte, aber er konnte keine Rücksicht auf sie nehmen. Als sie in der regnerischen Morgendämmerung auf einem ehemaligen Einsiedlerhof eine Rast einlegten, waren ihr die Erschöpfung und der Unmut über die eingeschlagene Route anzusehen. John hätte sie am liebsten in seine Arme genommen, aber er hielt sich zurück. Zu sehr verfolgten ihn ihre wüsten Beschimpfungen vom Abend zuvor. Ganz zu schweigen von Paddys Mutmaßungen, dass Madlen womöglich eine Spionin war.
Ihre mögliche Schwangerschaft machte seinen Gefühlswirrwarr komplett. Er liebte sie, gar keine Frage, doch kannte er nach so kurzer Zeit ihren wahren Charakter? John stieg von seinem Rappen ab und warf Madlen einen prüfenden Blick zu. Durfte er ihr wirklich vertrauen? Er wusste es nicht, und doch übergab er ihr die Zügel seines Hengstes, als ob er für sich selbst und die anderen ein Zeichen setzen wollte.
Hinter dem Haus stürzte ein Wasserfall zu Tal und übertönte mit seinem Rauschen sogar das Meckern der Ziegen, die sich in einem notdürftig zusammengezimmerten Verschlag neugierig an das Gatter drängten. Zwei große schwarze Hunde legten sich angriffslustig keifend in ihre viel zu kurzen Ketten. Für einen Moment hatte John das Bedürfnis, die Handballen auf seine empfindlichen Ohren zu pressen. Er ignorierte den Schmerz und näherte sich behutsam dem Eingang der Hütte. Aus losen Kalksteinen erbaut und mit verwittertem Schiefer bedeckt, verfügte sie über kein einziges Fenster, dafür jedoch über einen stattlichen Rauchabzug oberhalb des Giebels, aus dem es heftig qualmte.
An das Hauptgebäude schlossen sich ein baufälliger Stall und eine verwitterte Scheune an, die ebenso uralt waren wie das eigentliche Gasthaus.
David und Randolf sahen sich angespannt um, weil sie sichergehen wollten, dass nicht unvermittelt Soldaten auftauchten. Malcolm und Micheal waren auf ihren Pferden sitzen geblieben. Ihnen war die Erschöpfung anzusehen. Ruaraidh stieg ab und hob Wilbur vom Pferd. Dann legte er schützend einen Arm um die Schultern des Jungen, der ein ängstliches Auge auf die Hunde geworfen hatte. Paddy half Rosie beim Absteigen, als plötzlich der Besitzer der Hütte nach draußen trat.
John kannte den Pächter des Anwesens nur zu gut. Er war dabei gewesen, als Cullen Stewart, ein gebrochener Kriegsheld von fast sechzig Jahren, seine vorletzte Schlacht geschlagen hatte. Mit kahlem Schädel und einem Bein, das man ihm damals nach einem Axthieb bis zum Oberschenkel hatte abnehmen müssen, war er nicht mehr der unbesiegbare Krieger, der John einige Male vor dem Tode bewahrt hatte. Stewart, der im Sommer mit seinem ältesten Sohn für seinen Laird Ziegen und Schafe hütete, kümmerte sich nur im Herbst und Winter um die heruntergekommene Gastwirtschaft. Meist fehlte es ihm an zahlungskräftiger Kundschaft, und im Krieg wimmelte es überall von marodierenden Banden, die ihn bereits mehrmals ausgeraubt hatten. Sein viertes Weib, eine dürre Gestalt, die einen ungepflegten Eindruck vermittelte, war kaum älter als Madlen. Sie spähte zur Tür heraus, nachdem Stewart mit misstrauischer Miene und auf seinen Degen gestützt mit seinem Holzbein nach draußen gehumpelt war. Hinter ihr erschienen die Köpfe einer
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