Die Teufelshure
einem Heuschober aus voller Schrecken das weitere Geschehen beobachtet hatte. Hal und Robin, zwei zwielichtige Iren, die ihr Vater erst vor kurzem in seine Dienste aufgenommen hatte, beauftragte er damit, den beiden Camerons vor der Überquerung des Lochs – als Räuber getarnt – aufzulauern, um ihnen das gezahlte Geld wieder abzufordern. Die Halstücher vors Gesicht gebunden und bis an die Zähne bewaffnet, waren sie John und seinem Vater zu Pferd in einigem Abstand gefolgt. Madlen wusste, dass Iain MacIain auch vor Toten und einer möglichen Fehde nicht zurückschreckte, um sein Geld zurückzubekommen.
Angsterfüllt hatte sie im Heu gesessen und für John und seinen Vater gebetet, und erst als Hal und Robin zurückkehrten, ohne Geld und zudem schwer verletzt, wusste sie, dass man es mit einem Cameron nicht so ohne weiteres aufnehmen konnte. Von diesem Moment an hatte sie John endgültig in ihr Herz geschlossen. Ob sie jemals eine gemeinsame Zukunft haben konnten, blieb fraglich. Nur dass sie ihn liebte, ganz gleich, was geschah, bezweifelte sie nicht.
Als ob er ihre Gedanken gespürt hätte, sah John sie an und lächelte.
»Du brauchst keine Angst zu haben«, bemerkte er leise. »Ich werde nicht zulassen, dass dich dein Vater entehrt. Ich stehe zu meinem Wort. Auch wenn du mich für einen heruntergekommenen Highlander hältst, dem das Glück einer Frau gleichgültig ist.«
»Ach, John«, sagte sie rau und hätte noch hinzufügen wollen: Ich habe das gestern nicht so gemeint. Ihre Stimme versagte ihr jedoch den Dienst. Sie räusperte sich hastig und presste lediglich ein heiseres »Danke« hervor.
Bevor sie die Stelle erreichten, an denen ein Pfad hinunter zum Fluss Coe führte, war der Nebel zwischen den Bäumen auf einmal so dicht, dass man kaum seine Hand vor Augen sehen konnte. Deshalb war ihr Schreck umso größer, als John und seine Kameraden gleichzeitig blankzogen, obwohl niemand zu sehen war. Die Pferde scheuten ein wenig, und Madlen wusste nicht, ob das Verhalten der Männer daran Schuld trug oder ob sie ebenfalls eine Gefahr witterten.
Wie aus dem Nichts traten fünf schwerbewaffnete Gestalten aus den Büschen heraus und bauten sich mit erhobenen Claymores vor John und seinen Gefährten auf. Sie trugen allesamt die Plaids der MacDonalds. Madlen meinte auf der Stelle zu sterben, als sie in das graubärtige Gesicht von Onkel Cuthbert blickte, ein älterer Cousin ihres Vaters, der ihm samt seiner Söhne die Treue geschworen hatte. Für einen Moment hoffte sie, dass Cuthbert sie nicht erkennen würde, weil er kurzsichtig war, doch dann sah sie Alexander und Gilbert, zwei seiner jüngeren Söhne, mit denen sie eine Weile die Schulbank gedrückt hatte. Seit gut zwei Jahren hatte sie niemanden mehr aus ihrem Clan zu Gesicht bekommen. Zu wenig Zeit, um sich so sehr zu verändern, dass man von der eigenen Verwandtschaft nicht mehr erkannt wurde. Neben ihnen stand Gilleasbuig MacLean, der jüngere Bruder ihres verstorbenen Verlobten. Dazu kamen zwei hünenhafte Kerle, die sie nicht kannte und die mit ihren struppigen dunklen Haaren und den verwegenen Bärten wie Straßengesindel auf sie wirkten.
»Gebt euch zu erkennen!«, brüllte ihr Onkel. Er war aufgeregt, wie Madlen an seiner hellen Stimme erkennen konnte und daran, wie verkrampft er seine Muskete in der Hand hielt. Wahrscheinlich waren sie auf der Jagd gewesen. Das Wild des Marquess of Argyll war immer eine Versuchung wert. Jetzt zielte ihr Onkel auf John, doch der bewahrte die Ruhe und hob nur vorsichtig die Hand, um anzuzeigen, dass man in friedlicher Absicht kam. Die beiden unbekannten Krieger hatten die Hand an ihre Claymores gelegt, und auch Gilleasbuig trug eine Muskete.
Madlen straffte die Zügel ihres Pferdes, das unruhig zu tänzeln begann. Damit erregte sie unbeabsichtigt die Aufmerksamkeit ihres argwöhnischen Onkels. Er schwenkte den Lauf der Muskete in ihre Richtung, und das war für John Grund genug, sein Pferd in die Schusslinie zu lenken und das Wort zu ergreifen.
»Ihr werdet doch wohl nicht auf eine wehrlose Frau schießen wollen?«
Cuthbert kniff die Lider zusammen, weil er offenbar kaum etwas erkennen konnte. »Nimm den Hut ab«, keifte er unfreundlich in Madlens Richtung und fuchtelte dabei gefährlich mit dem Musketenlauf herum.
Die Anspannung wuchs, als Madlen nicht sofort das tat, was er sagte. Sie bemerkte, wie Paddy einen wissenden Blick zu John warf und dieser wiederum zu Randolf, dessen Miene so finster war wie eine
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