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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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sich instinktiv an die Stirn. Blitzschnell realisierte sie, was tatsächlich mit ihr geschehen war.
    »Ich hatte Migräne«, log sie geistesgegenwärtig. »Ich muss wohl irgendwie ohnmächtig geworden sein.«
    »Das beantwortet nicht die Frage, wie Sie hierhergekommen sind«, bemerkte der Arzt.
    Lilians Blick klärte sich ein wenig. Sie registrierte, dass der Ambulanzwagen mit blinkenden Lichtern in strömendem Regen auf einem Bürgersteig stand.
    »Ich wohne hier ganz in der Nähe«, erklärte sie hastig. »Nur einen Häuserblock weiter. Manchmal schlafwandele ich während der Migräneanfälle.«
    »Ich würde Sie eigentlich lieber ins Hospital einliefern lassen. Sind Sie vielleicht schwanger?«, fragte der Arzt.
    »Nein!« Lilian ruckte hoch und zerrte an der Kanüle, die man ihr in den Handrücken geschoben hatte, vermutlich um ihr ein kreislaufstabilisierendes Mittel zu geben.
    »Immer mit der Ruhe, junge Dame«, erklärte der Arzt in väterlichem Tonfall. »Ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern können? Sie sind einfach auf die Straße gelaufen. Barfuß und halb angezogen. Sie können von Glück sagen, dass der Busfahrer, dem Sie vor die Räder gesprungen sind, geistesgegenwärtig gebremst hat, sonst hätten Sie nicht nur eine Beule an der Stirn.«
    Prüfend fasste sich Lilian an den Kopf. Tatsächlich, direkt unter ihrem Haaransatz wuchs eine hübsche Schwellung.
    »Es tut mir leid«, gestand sie kleinlaut. »Schicken Sie mir eine Rechnung, aber jetzt möchte ich nach Hause gehen.«
    »Ungern«, erwiderte der Arzt. »Wer sagt mir, dass Sie solche Dummheiten nicht noch einmal machen?«
    »Hören Sie …«, sagte Lilian und rappelte sich auf. Was auch immer während ihres Experimentes geschehen war – so wie es sich anfühlte, hatte sie einen Erfolg zu verbuchen, den sie zunächst einmal ganz für sich allein analysieren wollte. Doch dafür musste sie in ihre Wohnung zurück. Außerdem hatte sie nicht das geringste Interesse daran, dass ihr unfreiwilliger Ausflug Aufmerksamkeit bei Medizinern erregte, was unweigerlich geschehen würde, wenn sie ins Krankenhaus ginge und eine Blutuntersuchung Anomalien ans Licht bringen würde. Womöglich würde nicht nur Jenna, sondern auch – was noch schlimmer wäre – Kollegen und Vorgesetzte davon erfahren, dass sie eine Indianerdroge zu sich genommen hatte.
    »Ich bin Doktor Lilian von Stahl«, erklärte sie mit betont selbstsicherer Stimme. »Ich bin im Bio-Tech-Center in Rosslyn angestellt. Ich arbeite als Molekularbiologin, bin also gewissermaßen eine Kollegin. Wenn Sie so freundlich wären, mich nach Hause zu bringen, zeige ich Ihnen meinen Ausweis.«
    Der Arzt sah sie zweifelnd an, dann stimmte er zögernd zu. Es waren nur gut dreihundert Meter bis zu ihrer Haustür. Dem Himmel sei Dank, wenigstens war Debby Hoverton im Haus. Die Concierge wohnte im Erdgeschoss. Ihr war anscheinend nicht aufgefallen, dass Lilian das Haus verlassen hatte. Mit einer Mischung aus Schuldbewusstsein und Neugier öffnete sie Lilian und ihrem Begleiter mit einem Generalschlüssel die Wohnungstür. Der Arzt verabschiedete sich zum Glück recht schnell. Mit einem freundlichen, aber bestimmten »Vielen Dank und gute Nacht, Miss Hoverton« wimmelte Lilian die besorgten Fragen der Concierge ab.
    Als sie endlich die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte sie sich mit dem Rücken dagegen und versuchte das Zittern in ihren Beinen zu unterdrücken. Allmählich realisierte sie, was mit ihr geschehen war. Noch einmal sah sie an sich herab. Abgesehen von dem Umstand, dass ihr Hausanzug durch Regen und Schmutz gelitten hatte, schien alles in Ordnung zu sein. Sie fühlte sich matt und hatte Durst.
    In die Küche huschte Watson an ihr vorbei und verschwand fauchend im Dielenschrank. Er wirkte völlig verstört. Lilian ahnte, dass es etwas mit ihrem Benehmen zu tun haben musste, das sie während ihres tranceartigen Zustandes an den Tag gelegt hatte.
    Am nächsten Tag schlief sie bis um zwei Uhr am Nachmittag, und selbst nachdem sie aufgestanden war, fühlte sie sich immer noch vollkommen erledigt. Als sie in ihr Zimmer zurückkehrte, sah sie den Rest der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in der Phiole. Der Gedanke, einen erneuten Versuch auf später zu verschieben, erlosch augenblicklich. Sie musste wissen, was an der Sache dran war. Ob sich die Geschehnisse noch einmal wiederholen würden? Ihr Forscherdrang siegte über ihre Angst, und nach einem Glas Milch, das sie in einem Zug hinunterkippte,

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