Die Teufelshure
er die Frau zwischen all diesen fiependen Maschinen liegen sah. Sie war immer noch bewusstlos. Ein Krankenpfleger kontrollierte ihren Blutdruck, und Ken Douglas, ein junger Arzt, der erst vor wenigen Wochen zum Team gekommen war, kümmerte sich um die Auswertung der Röntgenbilder.
»Wir haben die Patientin in ein künstliches Koma versetzt. Sie hatte eine leichte Fraktur zwischen den C5 und C6. Aber nachdem ich ihr eine Dosis ›E‹ verabreicht habe, hat sich der Riss sofort verschlossen«, erklärte der junge Arzt.
»Ich hoffe, du bist sorgsam mit dem Zeug umgegangen?« John warf Ken einen mahnenden Blick zu. »Wenn nicht, hat sie jetzt zwar keinen Genickbruch mehr, aber dafür andere Sorgen, die nicht weniger unangenehm wären.«
Ken presste die Lippen zusammen. Dann lächelte er. »Mach dir keine Gedanken, John. Ich habe aufgepasst, ihr nicht zuviel zu geben.«
John zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben die bewusstlose Frau. Das künstliche Koma war nötig, weil »Eternity« zwar heilen konnte, aber den Schmerz für kurze Zeit so sehr verstärkte, dass es dagegen kaum ein vernünftiges Mittel gab. Nachdenklich betrachtete John die langen Wimpern der Frau, ihre schmale geschwungene Nase, den üppigen Mund und das spitze energische Kinn, das einen widerspenstigen Charakter verriet. Man hatte ihr ein OP-Hemd übergezogen. Johns Hand bewegte sich ohne sein Zutun zu ihrem nackten Arm hin, der auf der Decke lag. Wie in Trance streichelte er die weichen Härchen auf ihrem Unterarm.
»Was zur Hölle tust du da?«, fragte eine harte Stimme.
John schrak herum und zog seine Hand zurück, als ob er sich verbrannt hätte. Paddy war zur Tür hereingekommen und sah ihn entgeistert an. John ersparte sich und dem Iren eine Antwort. Eine Rechtfertigung kam schon gar nicht in Frage. Was hätte er auch sagen sollen? He, Mann, ich hatte schon seit dreihundertsechzig Jahren keine Frau mehr, da hat es mich einfach überkommen?
»Ihr Name ist Lilian von Stahl«, erklärte Paddy. In seiner pragmatischen Art hatte der Ire unverzüglich Ermittlungen zu der Unbekannten in Auftrag gegeben. »Offenbar ist sie deutscher Abstammung. Du kannst sie also nicht kennen.« Der Ire hob eine Braue und schaute ihn an, als ob er sagen wollte, Junge, sei vorsichtig mit dem, was du tust. »David hat ihre Adresse gecheckt. Sie ist achtundzwanzig Jahre alt, lebt in Edinburgh.« Er hob seine Stimme, als ob er etwas Außergewöhnliches zu verkünden hätte. »In einer Wohngemeinschaft mit einer Polizistin. Und sie arbeitet in Rosslyn im Rosebud-Bio-Tech-Center als Molekularbiologin.«
»Molekularbiologin?« John horchte auf. »Wir könnten ihr einen Job anbieten.« Er lächelte matt.
»Ich weiß wirklich nicht, was in dich gefahren ist. Sie ist nicht hässlich, okay, aber sie ist eine gewöhnliche Touristin, die bei einem Sonntagsausflug einen Motorradunfall hatte. Und was dich betrifft, so empfehle ich dir, an deine Besprechung zu denken. Deine Leute warten bereits. Außerdem ist es besser, wenn sie dich gar nicht erst sieht. Überlass ihre Versorgung den Ärzten, und sobald sie zu sich gekommen ist, bringen unsere Leute sie nach Hause.«
John nickte abwesend. Es war der Duft der Frau, der ihn vollkommen irritierte. Seit gut dreihundertfünfzig Jahren war ihm niemand mehr begegnet, der nach Maiglöckchen und Rosen duftete. Außerdem war da noch ein anderer, verwegener Duft, den kein normaler Mensch bewusst wahrnehmen konnte. Unwillkürlich beugte er sich vor, um die Frau noch näher betrachten zu können, während die Anzeigen ihres Puls- und Blutdruckmessers in die Höhe schossen. Was war das? Roch sie ihn auch? Leider waren ihre Lider geschlossen. Zu gern hätte John ihr in die Augen gesehen.
»Sie ist schön, gar keine Frage«, stellte Paddy fest, als der Krankenpfleger die dunkle lange Mähne der Frau zur Seite schob, um die Halsvene für eine letzte Injektion zu desinfizieren.
»Hat sie Angehörige, die wir verständigen müssten?« John schaute auf und begegnete Paddys Blick.
»Keine Ahnung. Ich habe Malcolm damit beauftragt, es herauszufinden. Die Jungs von der Verwaltung werden sich kümmern, sobald sie etwas Neues wissen. Und jetzt komm!«
John stand auf. Als Paddy bereits durch die automatischen Schiebetüren gegangen war, wandte er sich noch mal an Ken.
»Ich möchte, dass du die Frau umgehend in eines meiner privaten Gästezimmer verlegst und mich informierst, sobald sie erwacht ist«, erklärte er.
»Verstanden, Sir.«
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