Die Teufelshure
hob er eine Braue. »Für Sie, John, wenn Sie mögen. Ich hoffe, es geht Ihnen besser.«
Stopp! Das hier war nicht real – oder, nein, die Visionen waren nicht real gewesen, und das hier war die Wirklichkeit. Oder vielleicht vermischten sich nun auf irgendeine surreale Weise Vision und Realität.
Sie räusperte sich verlegen. »Mir geht es gut. Mein Kopf brummt nur ein bisschen.« Mit gespreizten Fingern fuhr sie sich durch das Haar. »Aber sonst fühle ich mich okay.«
Zu ihrer Überraschung antwortete ihr Retter zunächst nichts. Er starrte sie unangemessen lange an. Es schien, als ob auch er sie wiedererkannte. Doch wie war das möglich? Plötzlich wirkte er verschlossen. Als ob er nachdenken musste, wo sie sich zuletzt gesehen hatten. Dann wandelte sich der Ausdruck auf seinem Gesicht und wurde auf eine seltsame Weise wehmütig und sehnsuchtsvoll. Lilian suchte nach einer Erklärung. Ohne Erfolg. John Cameron machte unterdessen keinerlei Anstalten, ihr eine zu geben. Vielleicht irrte sie sich auch, und es war lediglich Mitleid, das sich in seiner Miene spiegelte, weil sie so schwer gestürzt war.
»Danke, John, dass Sie mir zur Hilfe gekommen sind«, sagte sie, bemüht, ihre Verwirrung zu überspielen, dann holte sie Atem und sah ihm direkt in die Augen. »Ich hoffe, ich habe Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereitet.« Ein abgedroschener Satz, aber nützlich, wenn man mit jemandem ins Gespräch kommen wollte, der einem geholfen hatte und bei dem man nicht wusste, wie man sich erkenntlich zeigen konnte.
»Keine Ursache«, antwortete er einsilbig. Offenbar schien auch er nicht zu wissen, was er darüber hinaus zu ihr sagen sollte.
Lilian überlegte fieberhaft, wie sie ihn am besten in ein längeres Gespräch verwickeln konnte. Ihr Blick streifte seinen schwarzen Overall. Auf Brusthöhe links prangte ein rotbraunes Emblem, das farblich zu seinen Haaren passte und auf dem sein Firmenlogo – ein schwarzer Drache mit Flügeln – abgebildet war. Er war ohne Zweifel ein ganzer Kerl, und es gab Themen, denen kaum ein Mann widerstehen konnte.
»Meine BMW ist wahrscheinlich nicht mehr zu gebrauchen«, sagte sie mit aufrichtigem Bedauern in der Stimme. »Habe ich recht?«
»Es tut mir leid«, antwortete er und setzte erneut eine mitfühlende Miene auf. »Nach allem, was ich gesehen habe, glaube ich nicht, dass man Ihr Motorrad noch einmal reparieren kann. Ihr Einverständnis voraussetzend, habe ich die Einzelteile in unsere firmeneigene Werkstatt bringen lassen. Dort wird man rasch herausfinden, ob sich eine Reparatur lohnen könnte.«
»Das ist wirklich sehr nett von Ihnen. Ich weiß gar nicht, wie ich dass alles wiedergutmachen kann.« Lilian senkte für einen Moment den Blick, weil sie das Gefühl hatte, ihm nicht noch einmal, ohne rot zu werden, in die Augen schauen zu können.
Als sie es dennoch wagte, setzte er ein breites Grinsen auf, bei dem sich all seine makellosen Zähne zeigten.
»Hauptsache ist doch, dass sie heil aus der Sache herausgekommen sind«, bemerkte er mit sanfter Stimme. »Unsere Ärzte haben Sie direkt nach dem Unfall durchgecheckt. Bis auf ein paar Kratzer ist alles in Ordnung.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Lilian fragte sich für einen Moment, ob sie wirklich heil aus dieser Sache herauskommen oder ob sie am Ende den Verstand verlieren würde. Sie war ehrlich erstaunt, wie selbstverständlich sich der Mann um sie bemüht hatte.
»Ist mein Tankrucksack wenigstens heil geblieben?« Lilian wagte es nicht, an sich herabzusehen, obwohl sie unter der Bettdecke saß. Sie trug schließlich nur dieses halboffene Hemd, und damit wollte sie niemandem unter die Augen treten, schon gar nicht dem Typ, der nun vor ihr stand.
»Taylor hat Ihre Sachen heraufbringen lassen, sie müssten im Bad stehen.« Mit einem Wink zeigte John auf eine Tür, die augenscheinlich zu einem Nebenraum führte. Mit Taylor meinte er wohl den Butler, der den Auftrag erhalten hatte, sich um sie zu kümmern.
Lilian suchte dringend einen Ausweg, den Mann wenigstens vorübergehend loszuwerden, damit sie sich andere Sachen anziehen konnte.
»Ich möchte mich duschen und umziehen, wenn es Ihnen recht ist, und dann möchte ich Sie bitten, mir ein Taxi zu rufen. Ich habe Ihre Gastfreundschaft schon viel zu lange in Anspruch genommen.« Eigentlich tat es ihr leid, das sagen zu müssen.
»Warum bleiben Sie nicht noch eine Nacht und essen mit mir zu Abend? Sie ruhen sich einfach noch ein bisschen aus, und morgen früh
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