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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Jahrhunderte hinweg hatte behalten dürfen, doch tief im Innern war er ein Kind seiner Epoche geblieben, das mit den vielen neuen Errungenschaften, die ihm im Lauf seines unnatürlich langen Lebens widerfahren waren, nur schwer zurechtkam. Dazu gehörte, dass die festgefügten Rollen der Geschlechter endgültig aufgehoben zu sein schienen und die Männer kaum noch etwas zu sagen hatten.
    »Es freut mich, dass Sie meine Einladung genießen«, sagte er betont höflich.
    Wieder lächelte sie ihn strahlend an, und er spürte, wie das Band zwischen ihnen enger wurde. Die Vorstellung, ihr so nahe zu kommen, dass sie Sex haben würden, erregte ihn so sehr, dass ihm regelrecht schwindlig wurde, aber mehr noch beunruhigte ihn die Tatsache, dass Paddy recht behielt und er sie am liebsten auf der Stelle in sein Schlafzimmer gezerrt hätte. Seit Madlens Tod hatte es keine Frau gegeben, die eine solche Sehnsucht in ihm entfacht hatte.
    »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet«, bemerkte Lilian ernst und spießte dabei die letzte Erdbeere auf. »Glauben Sie an Wiedergeburt?«
    John dachte eine Weile nach, dann kam er zu einem Entschluss.
    »Ich möchte ehrlich zu Ihnen sein, was meinen Glauben betrifft, Lilian, und wenn sie meine Wahrheit nicht mögen, dann ist das mein Risiko.«
    »Nur zu«, ermunterte sie ihn. »Was soll schon passieren? Es sei denn, jetzt kommt was ganz Krudes? Sie gehören einer finsteren Bruderschaft an, die heimlich Menschen opfert oder sonst irgendwas Wahnsinniges tut. Ich wüsste nicht, ob ich das verkraften könnte.«
    John musste schlucken, während er daran dachte, wie unschuldig sie doch war und dass sie offenbar nichts von jener düsteren Welt ahnte, mit der er sich tagtäglich herumschlagen musste.
    »Ich glaube an nichts«, sagte er tonlos. »Und schon gar nicht an Gott. Das Einzige, woran ich glaube, ist die Dummheit der Menschen, die niemals aus ihren Fehlern lernen werden, und dass wir nichts, aber auch gar nichts daran ändern können, so sehr wir uns auch bemühen, die Welt zum Besseren zu führen.«
    Dass die Menschheit sich im Kreis drehte und nichts aus der Geschichte lernte, hatte John erst endgültig erkannt, als er seinen einhundertsten Geburtstag längst überschritten hatte und alles Elend sich vor seinen eigenen Augen wiederholte. Vielleicht war das Leben eines gewöhnlichen Menschen zu kurz, als dass er erkennen konnte, dass der Satan – den John als einzige Instanz akzeptierte – immer wieder aufs Neue sein grausames Spiel mit ihnen trieb.
    »Warum sind sie so negativ?« Lilians Stimme verriet aufrichtige Anteilnahme. »Liegt es an Ihrem Job? Zu viele sinnlose Tote in zu kurzer Zeit?«
    »Sie sind ein kluges Mädchen«, erwiderte er und konnte nicht verhindern, dass eine unterschwellige Bitterkeit in seiner Stimme mitschwang, die ihm noch weniger behagte. »Sind sie immer so einfühlsam?«
    »Meistens, auch wenn es Menschen gibt, die behaupten, ich würde ab und an mit der Tür ins Haus fallen.«
    »Ich mag ehrliche Charaktere.«
    »Ich würde gern ein wenig Licht in Ihre Düsternis bringen, wenn Sie mich lassen.«
    Ihr sanfter Blick und ihr Augenaufschlag ließen John auf der Stelle dahinschmelzen, und wenn er zuvor noch gezweifelt hatte, so war es nun endgültig um ihn geschehen.
    »Ich danke Ihnen von Herzen für das freundliche Angebot.« Er brachte es nicht fertig, ihr in die Augen zu schauen.
    »Aber?«
    »Ich werde darauf zurückkommen, sobald es mir notwendig erscheint.«
    Was redete er da? Es war ihm nicht möglich, sie wiederzusehen. Es sei denn, sie wurde Teil seiner Organisation. Und das konnte er nicht von ihr verlangen. Es würde ihr Leben einschneidend verändern, und was sie von schwarzen Bruderschaften hielt, hatte sie ihm eben beiläufig, aber unmissverständlich mitgeteilt.
    »Es ist schon spät«, sagte Lilian leise, während ihr Blick zu einer goldverzierten Standuhr wanderte, eines der wenigen Stücke, die John von seinem Vater geerbt hatte.
    John überlegte einen Moment, ob sie es missverstehen könnte. Dann räusperte er sich. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie bis zu Ihrem Zimmer begleite? Ich habe Taylor schon freigegeben«, fügte er erklärend hinzu.
    »Ich habe nichts gegen Taylor«, erwiderte sie lächelnd, »aber ehrlich gestanden, Ihre Begleitung ist mir lieber.«
    Lilian war etwas größer und kräftiger als Madlen, aber auf John wirkte sie immer noch klein und hilflos genug, um sämtliche Beschützerinstinkte zu aktivieren. Zu gerne

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