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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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zum Hof, den man über eine seitliche schmale Gasse einsehen konnte, stand leer, ebenso wie der dahinterliegende Pferdestall. Also war der Hausherr nicht anwesend. Obwohl man gar nicht sagen konnte, dass Cuninghame das Gebäude gehörte. Viele vornehme Lords und Parlamentsmitglieder hatten sich in der Nähe des Holyrood-Palace eingemietet, weil es trotz aller Vorbehalte gegen den König eine anerkannt gute Adresse war.
    Die Tür ging so plötzlich auf, dass John erschrocken zurücksprang, wobei er das Blumensträußchen konsequent hinter seinem Rücken verbarg, als ob es eine geheime Waffe wäre. Er hatte Glück – oder auch nicht. Einer der Lakaien, der Madlen auf ihrem Weg ins White Hart Inn gestützt hatte, hatte die Tür geöffnet. In seiner samtgrünen Uniform, mit Kniehosen, Seidenstrümpfen und Goldlitzen an Kragen und Ärmelaufschlägen, musterte er John wie ein widerwärtiges Insekt und rümpfte seine lange, spitze Nase.
    »Habt Ihr Euch verlaufen, Sir?«
    John richtete sich zu voller Größe auf und präsentierte dem kleinwüchsigen Lakaien seine breiten Schultern, als wollte er sagen: »Jetzt erst recht.« Dann zückte er die Einladungskarte seiner Gönnerin und verkündetet mit sonorer Stimme: »Ich werde erwartet. Von Mylady. Zum Fünf-Uhr-Tee.«
    Der Lakai schaute ihn einen Moment lang ungläubig an, dann riss er John unvermittelt die Karte aus den Händen und wandte sich zurück zur messingbeschlagenen Eingangstür. Bevor John reagieren konnte, war er dahinter verschwunden. John befürchtete schon, dass das vorlaute Bürschchen nicht wieder herauskommen würde und all seine Bemühungen umsonst gewesen sein könnten, als der Lakai erneut im Torbogen erschien und ihn mit einem tonlosen »Folgt mir!« bedachte.
    Johns Knie wurden mit jeder Treppenstufe weicher, und dabei dauerte es eine Weile, bis er zusammen mit dem Lakai im obersten Stockwerk angekommen war. Statt von Madlen wurde er von der dürren Ruth empfangen, deren Bekanntschaft er bereits gestern im White Hart Inn gemacht hatte. Wortlos führte sie ihn in einen großen beheizten Raum mit einer breiten Fensterfont, die einen Blick auf die königlichen Gärten erlaubte. John schaute sich möglichst unauffällig um und fand Madlen. Inmitten einer Pracht von filigranen Möbeln und edlem Porzellan, das aufgereiht in den zahlreichen Regalwänden stand, saß sie in einem schneeweiß bezogenen Himmelbett, das mit einem blutroten Samtbaldachin mit langen goldenen Troddeln versehen war. John war für einen Moment wie geblendet und dazu überrascht, sie im Bett vorzufinden.
    Bevor er die Frage stellen konnte, ob es nicht gut um ihre Gesundheit stehe, fiel ihm ein, dass es in den eleganten Wohnungen der wohlhabenden Gesellschaft Edinburghs durchaus als vornehm galt, auf diese Weise Besuch zu empfangen. Neben dem Bett stand in Reichweite ein Serviertischchen mit zwei Tassen und einer dampfenden Kanne darauf. John hatte keine Augen für das kleine Arrangement aus üppig belegtem Toast und süßem Gebäck, das neben dem Tee auf einer Platte serviert stand. Er hatte nur Augen für Madlen, wie sie ihn anstarrte, voller Verzückung, als wäre er ein Geist aus einer anderen Welt, der all ihre Wünsche erfüllte, und dann sah er ihr strahlendes Lächeln, das ihm jeglichen Zweifel nahm, er könne hier nicht willkommen sein.
    »John!« Ihre Stimme erschien ihm atemlos, und wie selbstverständlich streckte sie ihm ihre Hände entgegen. Sie trug ihr Haar zu einer Hochfrisur aufgesteckt, aus der ein paar vorwitzige Locken herabfielen, die ihr makelloses Gesicht umspielten.
    »Madame, stets zu Diensten.« Einen Moment lang wusste er nicht, was er tun sollte, und beließ es bei einer tiefen Verbeugung und einem zarten Handkuss, den er mit einem zaghaften Lächeln und einem flüchtigen Blick in Madlens samtblaue Augen ausklingen ließ. Vielleicht lag es an seiner Verwirrung, die ihm ihr weißes seidenes Hauskleid verursachte, durch dessen feinen Stoff sich die dunklen Vorhöfe ihrer leicht hervorstehenden Brustwarzen abzeichneten. Vielleicht war es aber auch die Gegenwart von Ruth, die wie ein grauer lauernder Schatten hinter ihm stand.
    »Wie schön, dass du da bist«, antwortete Madlen. »Um ehrlich zu sein, habe ich nicht wirklich mit dir gerechnet, nachdem du gestern so fluchtartig davongerannt warst.«
    John erwiderte nichts. Madlen schien sein Unbehagen zu spüren. Sie beauftragte Ruth, nach draußen zu gehen, um einen bestimmten Wein zu servieren.
    »Setz dich doch,

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