Die Teufelshure
mich. Was ist mit ihm?«
»Er konnte uns eine perfekte Personenbeschreibung der Männer geben, die sich im Lagerhaus vor seinen Augen abgeschlachtet haben. Und einer dieser Männer hat ihm später eine Injektion verpasst, die ihn offenbar das Gedächtnis hat verlieren lassen. Dank deiner Schamanendroge konnten wir nun ein Phantombild von einem Täter erstellen.«
»Und – ist der Mann in einer eurer Verbrecherdateien?«
»Nein, aber er scheint recht auffällig zu sein: Möchtest du das Bild mal sehen?«
Lilian nickte. Die Art, wie Jenna mit ihr umging und mit ihr sprach, gaben ihr die Bodenhaftung, die sie so dringend benötigte.
Jenna hatte eine Mappe aus ihrer Tasche geholt und fischte darin nach einer Klarsichthülle, in der die Kopie einer Computerzeichnung enthalten war.
Als sie ihr das Bild des Verdächtigen auf der Bettdecke ausbreitete, entfuhr Lilian ein erstickter Schrei. »Das ist nicht möglich«, flüsterte sie.
»Was ist mit dir? Soll ich nach einer Schwester rufen?«
»Nein … nein«, stotterte Lilian. »Es ist nur … der Mann auf dem Bild … es ist …«
»Wer?« Jenna sah sie begriffsstutzig an.
»John Cameron! Der Mann da auf dem Bild ist John Cameron. Ich habe letzte Nacht mit ihm geschlafen, dann wurden wir überfallen. Ich bin mit ihm in die Tiefgarage geflohen. Dort hat er auf meinen Bruder geschossen!«
Jennas Blick verriet, was sie dachte. Diagnose: Schizophrenie.
»Ich schwöre es«, flüsterte Lilian und ergriff ihre Hand. »Denk an Dough Weir! Ihm hat auch niemand geglaubt.«
Die alte Villa in Berlin-Grunewald war von hohen Bäumen und Büschen umgeben und mit Zäunen und Kameras gesichert. Im Garten streunten belgische Schäferhunde umher, die anschlugen, wenn sich jemand unerlaubt dem Zaun auf mehr als zwei Meter näherte. In der noblen Nachbarschaft kursierte das Gerücht, dass es sich bei dem geheimnisvollen Gebäude um eine Außenstelle des Bundesnachrichtendienstes handelte. Deshalb wunderte sich niemand darüber, dass ständig schwarze Limousinen mit verspiegelten Scheiben vorfuhren und es dort keine Gartenfeste oder Empfänge gab. Dass sich im Keller des Hauses eine Folterkammer befand, ahnte niemand, der nicht eingeweiht war.
Dem jungen Mann, den man gegen seinen Willen, bewacht von zwei martialischen Bodyguards zum Eingangstor eskortierte, standen die Angst und das Unbehagen ins Gesicht geschrieben. Mit einem Aufzug ging es zwei Stockwerke in die Tiefe. Schließlich landete er im Vorhof der Hölle, wie das Berliner Büro von Lord Chester Cuninghame auch genannt wurde.
Der weißhaarige Lord schwenkte in seinem Bürosessel herum, als man ihm Alexander von Stahl ankündigte. Cuninghames Augen durchbohrten den jungen Mann, als ob er ihn allein mit seinem Blick erdolchen wollte.
Der schwarzhaarige Ankömmling verbeugte sich ehrerbietig und wagte es nicht, sich auf einen der bereitstehenden Stühle zu setzen.
»Seid gegrüßt, großer Meister«, sagte er nur und verbeugte sich.
Chester Cuninghame stand auf und sah in seiner schwarzen Kutte aus wie ein frommer Mönch. »Bruder Alexander, Ihr lasst es an Gehorsam fehlen. Es kommt mir vor, als hättet Ihr diese Eigenschaft von Eurer Mutter geerbt. Was habt Ihr zu Eurer Rechtfertigung vorzubringen?«
»Nichts, Meister. Es tut mir leid, ich habe vorschnell gehandelt. Ich wollte Euch zu Gefallen sein, aber leider war das Glück nicht auf meiner Seite.«
Cuninghame betrachtete seinen Gast, als ob er ein lästiges Insekt wäre. Er schäumte vor Wut und wusste im Moment noch nicht, wie er dieser Wut Luft verschaffen sollte.
»Kreuzigt ihn!«, befahl er barsch und nickte den beiden Wachen zu.
Alexander von Stahl war die Angst anzusehen, die ihn unverzüglich ergriff. »Ich bitte Euch, Meister, seid nicht so hart zu mir. Ich habe es nicht absichtlich getan!« Seine Stimme wurde atemloser, als die beiden Männer ihn in einen Nebenraum zerrten und Chester Cuninghame ihnen wortlos folgte. Ohne auf das Keuchen und auf das Flehen ihres Gefangenen zu hören, rissen sie ihm die Kleider vom Leib, bis er vollkommen nackt war.
»So hört doch«, erklärte Alex aufgeregt. »Ich hätte ihn beinahe gehabt. Wir waren so nah dran. Wir könnten es noch mal versuchen.«
»Beginnt!« Mit einem Handzeichen wies der Lord die beiden Männer an, ihr Opfer an eine Stahlkonstruktion zu ketten, die die Ausmaße eines mannshohen Kreuzes hatte. Erbarmungslos zogen sie Alex auf die Stahlstreben und fixierten Handgelenke und Fußgelenke.
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