Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
Vom Netzwerk:
verwählte sich mehrmals, weil sie immerzu auf Lilians merkwürdige Aufmachung starrte anstatt auf die Displayanzeige des Telefons.
    »Es gab einen Überfall«, erklärte Lilian atemlos, als es Debby endlich gelungen war, den Notruf zu wählen und sie einen Polizisten am Apparat hatte. »Und es hat eine Schießerei stattgefunden. Oben in meiner Wohnung, und unten in der Tiefgarage liegen einige Tote und ein Schwerverletzter.«
    Debby hielt Lilian mit Gewalt zurück, als sie sich anschickte, noch einmal in die Tiefgarage zurückgehen zu wollen. »Bleiben Sie hier!«, rief die völlig verängstigte Concierge. »Vielleicht sind die Täter noch da unten!« Geistesgegenwärtig nahm sie ihren Trenchcoat vom Haken und bot ihn Lilian an. Lilian schlüpfte dankbar hinein und entledigte sich des zerrissenen Bettlakens.
    Wenige Minuten später traf die Polizei ein, gefolgt von mehreren Krankenwagen. Ein Spezialkommando der Polizei von East Lothian bahnte sich mit Helmen und Schutzwesten und unter schwerer Bewaffnung den Weg in die Garage, und erst nachdem sie sichergestellt hatten, dass das Parkdeck sauber war – frei von gefährlichen Subjekten –, durften die Sanitäter hinein.
    Lilian glaubte endgültig durchzudrehen, als ihr Polizisten und Sanitäter erklärten, dass man weder Verletzte noch Tote habe finden können. Noch nicht einmal eine Blutspur habe man entdeckt. Wie von Sinnen hielt ihnen Lilian das blutbespritzte Bettlaken entgegen – und als sie nur ungläubige Blicke erntete, rannte sie selbst noch einmal die Treppen hinunter zur Tiefgarage, die sich so leer und unschuldig zeigte wie am Abend zuvor. Keine Spur von ihrem Bruder und auch keine abgeschlagenen Köpfe, die unter parkenden Autos lagen.
    Jenna, die ebenfalls herbeigerufen worden war und das Kommando begleitete, war unterdessen mit einer Pistole bewaffnet und zwei Beamten als Unterstützung in ihre Wohnung vorgedrungen. Auch dort war niemand mehr anwesend. Der stürmische Nachtwind wehte die Gardinen herein und ließ das zerstörte Fenster klappern.
    Lilians Gesicht war wie versteinert, als Jenna sie immer wieder befragte, woher das Blut auf ihrer Bettdecke stammte und was denn nun genau geschehen sei. So wie es aussah, rührten die Blutspuren auf dem Bettlaken von den Glassplittern, die Lilian am Arm verletzt hatten. Lilian stotterte etwas von Einbrechern und einem Schusswechsel, doch so sehr die Ermittler auch suchten – von einem Projektil fehlte jede Spur. Das Einzige, was auf einen Überfall hinwies, war ein dicker Stein aus dem Vorgarten, der nun mitten in Lilians Schlafzimmer lag.
    »Vielleicht waren es militante Tierschützer, die gegen die Forschungsarbeiten in eurem Institut protestieren und die dir eine Lektion erteilen wollten?«, meinte Jenna.
    Lilian war nicht fähig zu sprechen. Wie um alles in der Welt sollte sie Jenna und den Polizisten erklären, dass sie in der Tiefgarage ihren Bruder mit einer lebensgefährlichen Kopfverletzung zurückgelassen hatte und dass sie mit dem Mann, der auf ihn geschossen hatte, kurz zuvor im Bett gewesen war?
    Ihr Blick fiel auf das zerwühlte Bett. »Das Kondom!«
    »Nicht!« Jenna wollte Lilian davon abhalten, Spuren zu vernichten, indem sie alles durchwühlte, und versuchte sie am Arm festzuhalten. Doch Lilian riss sich los. Dann begann sie in Anwesenheit der zwei älteren Polizisten, mehrere Papierkörbe umzustülpen.
    »Was suchst du denn, verdammt?« Jenna sah sie verständnislos an.
    »Ein benutztes Kondom – es muss hier irgendwo sein«, murmelte Lilian mehr zu sich selbst. »Es könnte beweisen, dass er hier war, und vielleicht können wir damit seine Identität feststellen.« Wie eine Furie riss sie die Kopfkissen, Decken und Matratze vom Rost. Darunter kamen jedoch lediglich Staubflocken und längst vermisste Socken zum Vorschein. Lilian sah auf. Ihre Miene verriet ihre Verzweiflung. »Er kann es doch nicht mitgenommen haben? Dazu war keine Zeit!«
    »Von wem sprichst du, verdammt?« Jenna klang immer verwirrter.
    »Von John Cameron, dem Mann aus meinen Halluzinationen – von wem sonst?«
    Aufgebracht schaute Lilian in die merkwürdig berührten Gesichter, die jede ihrer Bewegungen beobachteten. Dann fiel ihr Blick in den langen Türspiegel. Im viel zu großen Trenchcoat ihrer Concierge, mit nackten Füßen und vollkommen zerzausten Haaren sah sie aus wie eine wild gewordene Irre, die soeben der geschlossenen Abteilung des Royal Hospitals entkommen war. »Ich weiß, du glaubst es mir nicht!«,

Weitere Kostenlose Bücher