Die Teufelshure
Fall älter. Ende dreißig vielleicht. Seine Augen waren von feinen Lachfältchen umrahmt, und sein Blick sah manchmal traurig aus, selbst wenn er lächelte.
»Schon etwas länger.« Bran wich ihrem prüfenden Blick aus. »Er hat das Fliegen beim Militär gelernt.«
»Ihr seid alle Söldner, nicht wahr?« Lilian betrachtete Bran von der Seite. Einen Kerl wie ihn konnte sie sich ebenso gut in einem Dschungelkrieg vorstellen. Da war eine Härte in seiner Mimik, die ihr trotz seiner sanftmütigen Augen das ungute Gefühl vermittelte, dass er in der Lage war, ebenso grausam vorzugehen, wie John es bereits in ihrer Gegenwart getan hatte.
Bran nickte. »Mit Leib und Seele.«
»Bist du verheiratet?«
»Soll dass ein Antrag sein?« Er grinste amüsiert.
»Nein.« Lilian lächelte verlegen. »Ich dachte eher an John. Er sagte mir, dass man in euren Kreisen selten Familie hat. Aber er war auch verheiratet, obwohl er einen gefährlichen Job hat.«
Lilian spürte, dass sie Bran mit dieser Frage überrascht hatte. Vielleicht war er ja gewillt, für sie ein wenig Licht in Johns Familienangelegenheiten zu bringen.
»John hat über Madlen gesprochen?« Offenbar erstaunte ihn, dass Lilian etwas aus Johns Privatleben wusste.
»Sie hieß tatsächlich Madlen?« Lilian wunderte sich erneut über einen merkwürdigen Zufall. Bisher war John nicht in die Einzelheiten gegangen und hatte keinen Namen genannt.
»Ja …«, erwiderte er zögernd. »Aber sie ist schon vor einer ganzen Weile gestorben.«
»War ihr Nachname vielleicht MacDonald?« Lilian sah ihn forschend an. Es hatte bisher so viele merkwürdige Zufälle gegeben, dass sie beinahe alles für möglich hielt.
»Warum ist das wichtig?« Sein stechender Blick vermittelte ihr plötzlich den Eindruck, mitten in einem Verhör zu sitzen.
Die Motoren der Maschinen wurden lauter. Der Learjet setzte zum Start an.
Lilian wurde in ihren Sitz gedrückt, als die Maschine abhob, und sie beschloss, vorerst auf weitere Fragen zu verzichten. Sie hatte ihr Glas in eine sichere Halterung gestellt und spürte auf einmal, wie eine warme, kräftige Hand die ihre ergriff. Bran lächelte sie an. »Gemeinsam ist man oft stärker als alleine – habe ich recht?« Seine vormals kritische Miene zeigte nun mitfühlendes Interesse.
»Ja«, sagte sie. Am liebsten hätte sie es gehabt, wenn er einen Arm um sie gelegt hätte. Das Gefühl, miteinander vertraut zu sein, wuchs unaufhörlich, und Lilian fragte sich ernsthaft, ob das nur an seiner Fürsorge oder auch an seinem blendenden Aussehen lag.
Erst als sie in der Luft waren, wurde Bran wieder gesprächiger.
»John hat mir erzählt, du seiest Molekularbiologin.«
»Ich klone Hunde und Katzen, und wenn es sein muss, auch mal ein Pferd«, erwiderte sie beinahe trotzig. »Und falls du etwas dagegen hast, sag es mir lieber gleich.«
»Nein«, sagte er und nickte verständnisvoll. »Man sollte nur über etwas urteilen, das man auch kennt. Ein Grund, warum John sich entschlossen hat, dir diese Reise zuzumuten.«
Lilian fragte sich, was Bran damit andeuten wollte.
»Und was hat dich ausgerechnet zu CSS geführt?« Sein Interesse an ihr war noch nicht erloschen.
»Neben meinen üblichen Forschungen habe ich mit einer indianischen Schamanendroge experimentiert.« Lilian erklärte ihm die Hintergründe des Experimentes, ohne darauf einzugehen, dass die Idee dazu von ihrem Bruder stammte.
»Während des Experiments hatte ich eine seltsame Vision.« Lilian wusste nicht, ob es gut war, ihm alles zu erzählen, aber was hatte sie schon zu verlieren? »Vor meinem geistigen Auge habe ich einen Mann gesehen, der genauso aussah wie John. Er hatte den gleichen Namen, und ich war offenbar seine Frau. Mein Name war … Madlen MacDonald, oder wie man im Gälischen sagen würde – Madlen Nìc Dhomhnaill Camshr: n.« Lilian trank einen Schluck Wasser und bestellte beim Stewart ein Glas Wein. »Jetzt weißt du, warum ich den Namen wissen wollte.« Sie lächelte schwach. »Aber das wäre wirklich ein seltsamer Zufall, wenn Johns verstorbene Frau auch noch den gleichen Nachnamen hätte, oder?«
Bran erwiderte nichts. Sie hatte seine volle Aufmerksamkeit gewonnen, wie sie an seiner ganzen Haltung und dem intensiven Blick erkennen konnte. »All das geschah vor Hunderten von Jahren«, fuhr Lilian fort. »Und allem Anschein nach habe ich – oder sollte ich besser sagen: meine Vorfahrin – diesen Mann sehr geliebt.« Lilian kam es beinahe so vor, als ob sie von einem
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