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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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hatte ihre Lage in Madlens Augen nicht besser gemacht. Im Gegenteil, ihre Furcht war größer geworden, und die Sorge, dass Johns Plan nicht funktionieren könnte, kam nun hinzu. Der Gedanke, dass er sie vorerst hier allein zurücklassen musste, machte sie beinahe wahnsinnig.
    »Keine Angst, Madlen, ich werde die Nacht bei dir verbringen.«
    »Du bist ein Engel«, flüsterte sie gerührt und atmete erleichtert auf.
    »Nicht ganz«, erwiderte er mit einem breiten Grinsen, das eindrucksvoll sein makelloses Gebiss präsentierte. Dann setzte er eine Miene des Bedauerns auf und stieg, nackt wie er war, aus dem warmen Bett. Mit einem »Bin gleich zurück!« verabschiedete er sich in die Küche, wo sein Plaid und sein Gürtel auf dem Boden zurückgeblieben waren.
    Als er zu Madlen zurückkehrte, verriegelte er von innen die Tür und legte seine Sachen auf den Stuhl. Seinen schwarzen Dolch deponierte er unter dem Kopfkissen, bevor er wieder zu ihr unter die Bettdecke stieg.
    »Nur für den Fall, dass Cuninghame auf die Idee kommen sollte, uns in seinem Eigentum zu überraschen«, knurrte er düster und klopfte mit der flachen Hand auf den silbernen Brokatstoff.
    Madlen sah ihn entsetzt an. Der Gedanke, dass Cuninghame mitten in der Nacht hier auftauchen könnte, ängstigte sie. »Für gewöhnlich weilt er von Sonntag bis Mittwoch in North Berwick«, sagte sie hastig, wie um sich selbst zu beruhigen. »Bisher hat er mich nie außer der Reihe besucht.«
    »Umso besser.« John schloss sie in seine Arme und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Schlaf, mein Herz. Du musst keine Angst haben. Ich werde deine Träume bewachen.«
    Sie senkte erschöpft die Lider und kuschelte ihren Kopf an seine Brust. Es war lange her, seit sie sich das letzte Mal so sicher und geborgen gefühlt hatte.
     
    John verließ in aller Frühe das Haus. Ein langer Kuss und eine rasch dahingeflüsterte Versicherung, noch vor dem Abend zum verabredeten Treffpunkt zu kommen, um sie endgültig aus ihrem goldenen Käfig zu befreien, mussten Madlen zur Beruhigung ausreichen.
    Im Dauerlauf kehrte John nach Leith zurück. Er überholte dabei sogar zwei Botenläufer, um pünktlich beim Öffnen der Stadttore mit Händlern und Bauern in die Hafenstadt gelangen zu können.
    Sein Plan stand fest. Er würde heute nicht zur Arbeit erscheinen, Paddy sollte ihn krank melden. Danach würde Abraham Brumble ihn wahrscheinlich feuern, aber das war nun gleichgültig. Auf dem St. Ninians Churchyard hatte John seine ganze Habe vergraben – hinter dem Grabstein von William Brodie, einem Kameraden, der im vorigen Jahr gehängt worden war, weil er in Brumbles Schreibstube eingebrochen und die Schiffskasse hatte mitgehen lassen. Dummerweise hatte sein Weib den plötzlichen Geldsegen nicht für sich behalten können, sondern in der Nachbarschaft herumgeplappert, dass man sich nun ein Leben in den neuen Kolonien leisten könne. Mit eigener Farm und ein paar Sklaven, die einen von morgens bis abends bedienten. Es hatte exakt drei Tage gedauert, bis Brodie für ihre Redseligkeit mit dem Leben bezahlte. John war bei der Beerdigung auf die Idee gekommen, dass wohl kaum jemand in Brodies Grab einen Krug mit einhundert englischen Pfund vermuten würde. Dazu kamen ein Degen von allererster Güte und ein Kampfdolch, der es ihm ermöglichte, beidhändig seine Verteidigung aufzunehmen. Wenn alles nach Plan lief, würde er diese Waffen zwar nicht gebrauchen, aber sie vermittelten eine gewisse Sicherheit. Und sei es nur, um Madlen lästige Verehrer vom Halse zu halten.
    Bevor er mit ihr fliehen konnte, musste er diesen Schatz heben. Der Morgen dämmerte bereits, als er die Baracke erreichte, in der seine Kameraden sich fertigmachten, um zur Arbeit zu gehen.
    Paddy, der in Kniehosen und kurzer Arbeitsjoppe an einem klapperigen Tisch saß und sich ein trockenes Stück Brot und einen Krug abgestandenes Ale einverleibte, sah überrascht auf.
    »Hey, Kumpel, wo bist du denn versackt? Wir haben den ganzen Abend auf dich gewartet, dachten schon, wir müssten jemand zum Tolbooth schicken, weil du unter die Räder gekommen bist.«
    John antwortete nicht. Er ging zu seinem Bett und holte seine Kiste hervor. Rasch durchwühlte er seine Papiere. Die Entlassungsurkunde der Armee hatte er nur noch aus Sentimentalität behalten. Einen Staat konnte man damit nicht mehr machen. Im Gegenteil – für Montrose gekämpft zu haben war etwas, das man in diesen Zeiten und in dieser Gegend besser für sich behielt.

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