Die Teufelshure
Vorhof des Tolbooth umzingelten, hielten sich in der unteren Canongate auf. Ansonsten war niemand zu sehen. Zwei vergitterte Gefängniskarossen standen auf der Straße, die jeweils von zwei Pferden gezogen wurden. John nutzte den Moment, bevor man ihn zu einem der Wagen führte, um einen Blick auf Graystoneland zu erhaschen. Die Fensterfront war stockdunkel. Der Gedanke, dass Cuninghame Madlen zur Frau nehmen wollte, schnürte ihm die Kehle zu, und die Ungewissheit, ob sie ihn tatsächlich kaltblütig betrogen hatte, schmerzte ihn mehr, als er sich einzugestehen vermochte. Mit einem Mal hasste er Rosie. Warum hatte sie ihren Mund nicht gehalten und ihm diese Schmach erspart?
Die Reiter bereiteten sich stumm auf ihren Abmarsch vor. John stellte sich die Frage, ob die schwarzvermummten Gestalten Cuninghames Leute waren. Wie bei dem Überfall vor Leith trugen sie Schwerter und zwei Radschlosspistolen, die links und rechts vom Sattelknauf in ledernen Holstern steckten. Für einen Moment überlegte John, ob es möglich wäre, den Söldnern zu entkommen, doch dann fiel sein Blick auf Micheal und Malcolm, die, von zwei schwerbewaffneten Männern eskortiert, zu einer der Karossen geführt wurden.
Zu sechst steckte man die Gefangenen unter den Augen des Gefängnisdirektors in den Pferch. John protestierte nicht, als man ihn von Paddy trennte und in die vordere Karosse zu Micheal und Malcolm MacGregor stieß, die zitternd in dem grob zusammengezimmerten Holzverschlag saßen und sich bei den Händen hielten. Drei weitere Gefangene kamen hinzu, nachdem John den Jungs gegenüber seinen Platz eingenommen hatte, dann wurde die Tür hinter ihnen mit einem Vorhängeschloss gesichert. Nur eine winzige vergitterte Luke ließ einen Blick nach draußen zu. Geoffrey Fitzgerald, dessen Wärme John an seinem Oberarm spürte, als er gegen ihn gedrängt wurde, war der Erste, der das Wort ergriff.
»Aye«, knurrte er dumpf und stieß John in die Seite. »Was jetzt, Highlander? Hast du eine Idee, wie wir diesen Schlamassel für uns nutzen können? Schließlich warst du es, der uns in die Scheiße geritten hat. Also, sag was!«
»Ihr wollt doch nicht etwa ausbrechen?«, flüsterte David Ogilvy. Im Schein der Fackel, die von draußen hereinleuchtete, warf er einen gehetzten Blick auf Ruaraidh MacAlpine, der missmutig an seinen Ketten zerrte.
»Geoff redet Schwachsinn«, bemerkte John ärgerlich. »Hast du die Wachmannschaften gesehen? Wenn auch nur einer von uns versucht zu entkommen, sind die anderen verloren.«
Randolf und den Holländer hatte man mit dem Rest der Mannschaft zu Paddy gesperrt. John konnte sich lebhaft vorstellen, was geschehen würde, wenn es einem Teil der Männer gelänge, in die Nacht zu entkommen, und den anderen Gefangenen nicht. Die zurückgelassenen Kameraden würden dafür büßen müssen und vielleicht sogar mit dem Leben bezahlen.
»Feigling«, zischte Geoffrey ihm zu.
John grinste mitleidig. Früher hätte ihn eine solche Anschuldigung in einen Kampf auf Leben und Tod getrieben, nun ließ es ihn kalt. Womöglich ließ sich seine Gelassenheit dadurch erklären, dass er selbst nichts mehr zu verlieren hatte und dass Geoffrey ihm ohnehin gleichgültig war.
Angekettet saßen sie da, stumm und völlig ahnungslos, wohin es gehen würde. Durch einen Spalt im Holz konnte John beobachten, wie ein Fremder mit schwarzem Hut, der von mehreren Fackelträgern begleitet wurde, Fergusson zum Abschied einen gut gefüllten Lederbeutel überreichte. Es wirkte beinahe, als ob die Gefangenen wie Vieh den Besitzer wechselten.
Eine innere Stimme verriet John, dass das nichts Gutes bedeuten konnte, aber er sagte nichts zu den übrigen Männern, um sie nicht weiter zu ängstigen. Mit einem Ruck setzte sich der Wagen in Bewegung.
»Wird man uns töten?« Malcolms Stimme zitterte vor Angst.
»Nein«, beschwichtigte ihn John. »Wir werden in ein anderes Gefängnis verlegt.« Nun wünschte er sich doch, dass Paddy in seinem Wagen sitzen würde. Er hatte immer eine Idee und zudem das hellseherische Talent seiner verstorbenen Mutter geerbt.
»Und was ist mit dir, John?« Geoffreys Stimme klang zynisch. »Solltest du nicht morgen geköpft werden? Wäre seltsam, wenn man dich jetzt noch woandershin verlegt, und das mitten in der Nacht, aye?«
»Vielleicht werden wir alle geköpft, und es will uns nur niemand sagen?« Micheals jugendliche Stimme verriet nackte Panik.
»Nein, Micheal. Hab keine Angst.« John versuchte den Jungen durch
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