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Die Teufelshure

Die Teufelshure

Titel: Die Teufelshure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Gleichmut zu beruhigen. »Geoff hat das nicht so gemeint.«
    Der Wagen hatte für einen Moment angehalten. Von draußen waren ein lautes Kommando und das leise Schnauben der Pferde zu hören, weil sie die Unruhe spürten. Eine kehlige Männerstimme, die in der Stille der Nacht verhallte, bestätigte den Befehl. Das Rasseln der Ketten und ein sich anschließendes knarrendes Geräusch zeigten an, dass die Stadtwachen trotz der späten Stunde das Fallgitter des Südportals öffneten. Ohne weitere Kontrollen ließ man sie passieren.
    Die seltsame Karawane machte sich auf den Weg nach Süden. Für John fühlte es sich wie eine heimliche Flucht an. Das nächste Gefängnis lag zwei Tagesmärsche entfernt, genau in die entgegengesetzte Richtung.
    Oder ging es tatsächlich zum Bass Rock, den man bei gutem Wetter vom Hafen aus sehen konnte? Das aber vermochte John kaum zu glauben. Handelte es sich doch um ein Gefängnis des schottischen Parlamentes, in dem zurzeit nur politische Gefangene inhaftiert wurden, die nichts weiter verbrochen hatten, als gegenüber Parlament und Kirche ihre oppositionelle Gesinnung kundzutun. Es ging das Gerücht um, dass man die Inhaftierten dort grausam folterte, bis sie ihren Verstand verloren und zu angepassten Lakaien wurden.
    Das Klappern der Hufe vermischte sich mit dem Rattern des Wagens. Von draußen spendeten die Flammen der Fackelträger, die den merkwürdigen Zug in die Nacht begleiteten, ein spärliches Licht. Obwohl John die Sache alles andere als begreiflich war, entspannte er sich ein wenig und nickte tatsächlich ein. Er hatte die letzten Nächte kaum geschlafen, und die Aufregung der vergangenen Tage forderte nun ihren Tribut.
    Es musste ein Traum sein, der erste seit Monaten, als er sich plötzlich in einen Adler verwandelte und über die mondhellen Klippen einer Steilküste flog, hin zu einem düsteren Anwesen, das die aufbrausende See überragte – eine uneinnehmbare Festung, die von Wasser, Felsen und hohen Mauern umgeben war. Von oben herab konnte er aufragende verwitterte Grabsteine erkennen, zwischen denen sich schemenhaft weiße Figuren bewegten. Ihre schmerzverzerrten Gesichter schienen um Hilfe zu rufen. John zögerte einen Moment. Doch dann setzte er zum Tiefflug an, um zu hören, was sie zu sagen hatten. Ihre schrillen Stimmen vermischten sich mit dem Wind, so dass es ihm unmöglich erschien, ihr Ansinnen zu erfahren. Tief in seinem Inneren wusste er, dass er diesen Ort niemals freiwillig aufsuchen würde.
    Als John erwachte, dämmerte der Morgen, und das Kreischen der Möwen ersetzte das Kreischen in seinem Traum. Eine stürmische Böe fuhr in den Wagen und ließ ihn frösteln. Es roch weit intensiver nach Tang und nach Fisch als am Hafen von Leith. Ein kurzer Blick durch die Gitter verriet ihm, dass sie tatsächlich auf einer Straße unterwegs waren, die zu einem kleinen Ort direkt am Wasser mit weißgetünchten, reetgedeckten Häusern führte. Von Ferne sah man eine gewaltige Burg.
    »Wo sind wir?«, murmelte John mehr zu sich selbst. Er kannte sich jenseits von Edinburgh nicht besonders gut aus, obwohl er sonst schon beinahe überall in Schottland herumgekommen war.
    »Lass mich mal sehen!« Ruaraidh drängte ihn zur Seite und steckte seine Nase in den stürmischen, nasskalten Morgen. »North Berwick. Von hier aus kann man die Festung Tantallon erkennen«, erklärte er mit belegter Stimme, und John entging nicht, dass sich sein gälisch sprechender Stammesbruder vor den anderen bekreuzigte. »Heilige Maria und Joseph, sie bringen uns tatsächlich auf den Bass Rock!«
    Beim Anblick des gewaltigen Tantallon Castle wurde John von einer merkwürdigen Kälte ergriffen. Er hatte das rotschimmernde Gemäuer, das mit seinen riesigen Wehrtürmen und Zinnen hoch auf einer Klippe thronte, noch nie in natura gesehen, aber es entsprach exakt der Umgebung in seiner nächtlichen Vision.
    Draußen auf dem Meer, knapp zwei Meilen von Tantallon entfernt, umspülte die stürmische See einen klobigen Basaltkegel, auf dem eine Kirche und eine Festung zu erkennen waren. John erinnerte sich plötzlich an die Worte des Ministers, der mit ihnen im Tolbooth inhaftiert gewesen war. »Frischluft schnappen«, hatte er die Verlegung von Häftlingen auf den Bass Rock genannt.
    Gleichzeitig ließ dieser abgelegene Ort Johns Herz unvermittelt höher schlagen. Wenn es denn stimmte, was Rosie gesagt hatte, befand sich Madlen ganz in der Nähe. Cuninghames Herrenhaus lag nur wenige Meilen von North

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