Die Teufelshure
Umhangs zurück. Ihr Lächeln war alles andere als scheu. »Guten Morgen, meine Herren«, trällerte sie unangemessen fröhlich und präsentierte den überrascht dreinblickenden Gefangenen einen vollen Korb mit Proviant.
»Rosie!« Paddy strahlte über das ganze Gesicht. Rosemary Elkwood hatte gehalten, was sie versprochen hatte. Als sie reihum ging und den Männern Brot, Ale, geräucherte Würste und gepökeltes Fleisch anbot, bückte sie sich bei jedem Einzelnen tief genug, damit er einen Moment lang ihre ganz intimen Auslagen genießen konnte. John hatte man in der hintersten Ecke des Raumes angekettet, vielleicht weil er sich von nun an von den anderen Gefangenen unterschied. Er hatte nur noch einen Tag und eine Nacht zu leben. Die Frage, ob er seine Familie über sein Schicksal benachrichtigen wollte, hatte er stoisch verneint. Paddy und seine übrigen Kameraden würden so lange hier eingekerkert sein, bis ein Schiff mit Deportierten in die Neue Welt aufbrach, und das konnte in dieser Jahreszeit noch gut zwei Monate dauern.
Johns üble Laune ließ darauf schließen, dass er langsam begriff, in welch aussichtsloser Lage er sich befand.
Er hob noch nicht einmal den Kopf, als Rosie vor ihm Aufstellung nahm.
»John«, sagte sie sanft und warf ihre weizenblonde Mähne zurück.
Erst jetzt schaute er sie von unten herauf an und lächelte schwach. »Danke, dass du die Männer versorgst«, sagte er leise. »Ich wusste immer, dass du ein gutes Mädchen bist.«
Von einem Mauervorsprung vor den Blicken der anderen Gefängnisinsassen geschützt, stellte Rosie den Korb zur Seite und hob ihre Röcke. Darunter war sie nackt. John schaute zwangsläufig auf ihr kleines goldenes Vlies und ihre festen weißen Schenkel. Der Anblick ihrer verlockenden Weiblichkeit berührte ihn nicht.
»John«, flüsterte sie abermals, und dabei fixierte sie seine Augen, als ob sie ihn beschwören wollte. »Mein Leib gehört dir ebenso wie mein Herz, ganz gleich, ob du es willst oder nicht. Lass mich dir ein letztes Mal Vergnügen bereiten. Hier und jetzt. Ich bitte dich. Vielleicht zeugst du mir einen Jungen, der so aussieht wie du. Dann würdest du in ihm weiterleben.«
»Rosie«, antwortete er heiser. Hastig schluckte er seine Verlegenheit hinunter, weil er für einen Moment nicht wusste, was er ihr antworten sollte. Trotz der Ketten gelang es ihm, sich weit genug im Sitzen aufzurichten, damit er nicht so verzweifelt auf sie wirkte.
»So leid es mir tut – das kann und will ich nicht annehmen.«
»Warum denn nicht?« Sichtlich enttäuscht ließ Rosie die Röcke fallen und ging vor ihm auf die Knie. Ohne seine Zustimmung abzuwarten, küsste sie ihn stürmisch. John wehrte sie halbherzig ab. Obwohl ihm absolut nicht der Sinn nach weiblicher Zuwendung stand – schon gar nicht nach ihrer –, wollte er Rosie nicht wehtun, weder körperlich noch im Herzen.
»Bitte!« Er hielt sie bei den Schultern gefasst und versuchte sie auf Abstand zu halten. »Denk an Paddy«, zischte er. »Er liebt dich aufrichtig, und er ist mein Freund. Für ihn kannst du weit mehr tun.«
»Aber
ich
liebe
dich
, und außerdem ist Paddy einverstanden mit dem, was wir tun«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. »Er war es, der auf diese Idee gekommen ist.«
»Was?« John riss ungläubig die Augen auf und reckte den Hals, um das Gesicht von Paddy zu sehen. Weil er angekettet war, gelang es ihm nicht.
»Er sagt, er wird mich in die Neue Welt mitnehmen«, fuhr Rosie treuherzig fort. »Er wird mich heiraten, wenn ich von dir schwanger bin. Selbst ein Zwangsarbeiter kann dort eine Familie gründen, wenn seine Frau bereit ist, ihn zu begleiten. Er würde deinem Kind ein guter Vater sein.«
John schüttelte entrüstet den Kopf. In was für einem Albtraum befand er sich hier? »In Gottes Namen, ich dachte, nur mich hätte der Verstand verlassen«, spöttelte er unsicher. »Hat Paddy das Gefängnisfieber erwischt?«
»Dann willst du es also nicht?« Rosies Blick drückte tiefstes Unverständnis aus. »Es liegt an mir, habe ich recht? Du findest mich nicht hübsch genug!« Unentschlossen nestelte sie an der kleinen weißen Schnur ihrer Bluse, die ihren prallen Ausschnitt zusammenhielt.
John musste nun doch lächeln. »Nein, Süße, an dir liegt es wahrlich nicht. Schon gar nicht an deinem Aussehen.« Sie war schön wie die Sünde, und den Namen Rednose Rosie hatte sie nur bekommen, weil sie im letzten Winter ein hartnäckiger Schnupfen geplagt und sie sich
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