Die Teufelsrose
sahen ihnen nach. »Wie ist das, dem eigenen Begräbnis beizuwohnen?« sagte Devlin.
»Ich fühle mich wie der auferstandene Lazarus«, erwiderte Brosnan. »Reingewaschen von allem.«
»Und wofür?« sagte Anne-Marie. »Eine Wiederaufnahme des alten Lebens? Oder für einen neuen Anfang?«
»Vielleicht wenn ich mit Frank Barry fertig bin.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du riechst nach Tod, Martin, weißt du das nicht? Du wirst dich nie ändern.«
Sie drehte sich um und ging unter Deck. Brosnan sagte: »Was hat sie denn?«
»Wenn du das nicht weißt, kann ich dir auch nicht helfen«, antwortete Liam Devlin.
Im Fischereihafen von St. Denis ging es lebhaft zu, denn fast zwei Dutzend Kutter entluden ihren Fang. Jacques Savary saß zusammen mit Cresson auf dem Rücksitz eines schwarzen BMW. Er trug einen Kaschmirpullover und ein teures Sport sakko und sah darin so aus, wie er früher ausgesehen haben mochte. Jean-Paul beugte sich zu ihm und legte ihm ein Reise plaid über die Knie.
Brosnan, Devlin und Anne-Marie standen ein paar Schritte entfernt und schauten zu. Als Jean-Paul zurücktrat, ging Bros nan zum Wagen, beugte sich nach unten und nahm Savarys Hand. »Vielleicht können wir es irgendwann noch mal ma chen?«
Savary hielt seine Hand einen Moment fest, zog ihn dann in einer unwiderstehlichen Gefühlsaufwallung an sich und um armte ihn.
Brosnan wandte sich ab, und Jean-Paul, dessen Gesicht im gelben Schein der Lampe oben an der Schuppenwand sehr ernst war, schüttelte ihm die Hand.
»Es ist unmöglich, Ihnen für all das zu danken, was Sie getan haben, aber ich versichere Ihnen eines. Wir von der Union Corse haben einen langen Arm.« Er zückte seine Brieftasche, nahm eine Karte heraus und reichte sie Brosnan. »Meine Privatnummern.« Er lächelte listig. »Alle vier. Wenn Sie jemals irgend etwas brauchen sollten … Wenn ich ›irgend etwas‹ sage, meine ich es auch so.«
Er umarmte Brosnan, hielt ihn einen Augenblick fest, gab Devlin und Anne-Marie die Hand, stieg in den BMW und nickte Claude, der am Steuer saß, zu. Die schwere Limousine setzte sich in Bewegung und bog am Ende des Anlegers auf die Straße ein.
Brosnan sah ihr nach. Er fühlte sich plötzlich, am Ende eines langen Wegs, seltsam müde. Er wandte sich zu Devlin und Anne-Marie.
»Und nun?«
Anne-Marie nahm seinen Arm. »Los, Soldat, deinem Ausse
hen nach brauchst du jetzt mindestens eine Woche Schlaf.«
Sie setzte sich ans Steuer des gemieteten Citroëns, Devlin nahm neben ihr Platz, und Brosnan blieb nur der Rücksitz. »Wie lange brauchen wir?« fragte er, als sie losfuhren.
»Um diese Zeit am Morgen drei Stunden, wenn wir Glück haben. Versuch zu schlafen.«
Brosnan lehnte sich zurück und machte die Augen zu. Zuerst sah er nur den Teufelsstrudel, das Wasser schlug über ihm zusammen, der widerliche Gestank erfüllte seinen ganzen Kopf, und dann war auf einmal alles pechschwarz.
Kurz nach sechs Uhr, als sich der Horizont fahl färbte, verließ Pierre Gaudier seine Hütte in den Dünen zwei Kilometer vor St. Denis. Er arbeitete im Fischereihafen als Packer und stand immer im Morgengrauen auf, um den Strand nach Treibholz abzusuchen, ehe andere kamen.
Die Karre, die er schob, hatte alte Autoreifen, die leicht über den feuchten Sand rollten, und er blieb dann und wann stehen, um ein Brett oder einen Knüppel aufzuladen. Als die Karre beinahe voll war, hatte er das Ende des Strandes erreicht, wo die Ausläufer des Teufelsstrudels über die zerklüfteten schwar zen Felsen gurgelten. Er hielt inne, um sich eine Zigarette anzustecken, ehe er zurückkehrte, und da bemerkte er plötzlich in den Felsen etwas Orangefarbenes. Er warf das Streichholz
fort und ging hin.
Eine der Leichen lag über einem Felsen, die andere trieb daneben in einem Wasserloch. Gaudier bekreuzigte sich, packte den Ärmel der Leiche im Loch und versuchte, sie zum Strand zu ziehen. Erst jetzt sah er die Leine, die sie miteinander verband.
Er krabbelte zu dem Toten auf dem Felsen, um die Leine loszubinden, und sah in diesem Augenblick zweierlei: die auf die Schwimmweste gedruckten Worte »Strafvollzug – BelleIle« und die weiße Gefängnisnummer quer über den Rücken des Mantels.
»Heilige Muttergottes«, sagte Gaudier und bekreuzigte sich. Er versuchte, die Leiche umzudrehen.
Da sah er das Gesicht oder das, was davon übrig war, und taumelte entsetzt zurück, verlor
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