Die Teufelsrose
Weg, und Anne-Marie setzte sich. Sie trug immer noch Ölzeug und strich sich mit einer unnachahmlichen Geste nasse Strähnen aus der Stirn.
»Da wären wir wieder«, sagte Brosnan.
»So scheint es.« Sie streckte die Hand aus und berührte kurz sein Gesicht. »Du bist immer noch eiskalt.«
»Total durchgefroren. Ich werde den Rest meines Lebens Alpträume vom Teufelsstrudel haben. Was macht Jacques?«
»Dr. Cresson beschäftigt sich nebenan mit ihm.«
»Du meinst, er ist immer noch bewußtlos?«
»Ich fürchte, ja.«
Brosnan setzte sich auf, zog die Wolldecke um sich. »Ich will ihn sehen.«
Sie führte ihn in die Nachbarkabine. Jacques Savary lag, bis zum Kinn in Decken gehüllt, auf einer Koje. Sein Gesicht war schneeweiß und eingefallen, die Augen geschlossen. Jean-Paul und Devlin sahen besorgt, wie Cresson ihn verarztete.
»Er ist kalt«, sagte er. »Viel zu unterkühlt. In seinem Alter …« Er zog eine Spritze auf und injizierte den Inhalt in Savarys rechten Unterarm. »Das stärkste Mittel, das ich zu nehmen wage.« Er wandte sich an Jean-Paul: »Der Puls ist sehr schwach. Er muß so schnell wie möglich in ein Krankenhaus.«
»Auf keinen Fall!« sagte Jacques Savary mit leiser Stimme.
Seine Augen waren offen, er lächelte schwach, und Jean-Paul
ergriff seine Hand und kniete sich neben die Koje. »Was hattest du vor? Mich zu Tode zu erschrecken?«
»So ungefähr.« Savarys Augen suchten Brosnan und fanden ihn. »Wir haben's den Kerlen gezeigt, nicht?«
»Sie werden es nie vergessen«, sagte Brosnan.
Cresson sagte: »Und jetzt raus mit Ihnen. Er braucht Schlaf.«
Als Jean-Paul sich aufrichtete, hielt Savary ihn am Ärmel fest. »Ich werde nie wieder dahin zurückgehen. Nie wieder. Verstehst du?«
»Sicher, Papa.«
»Jetzt, wo wir draußen sind, müßt ihr zu der Stelle, wo die beiden Leichen über Bord gehen sollen, das ist im Augenblick das Wichtigste. Schlafen kann ich später noch genug.«
Brosnan ging in seine Kabine zurück, und Devlin und AnneMarie folgten ihm. Er setzte sich auf die Koje. »Was passiert als nächstes?«
»Der Kapitän setzt uns in ungefähr einer Stunde in St. Denis an Land. Jean-Paul hat seine eigenen Pläne für seinen Vater. Wir drei fahren zu Anne-Maries Bauernhaus in den Bergen oberhalb von Nizza.«
»Und Barry?«
»Für den ist noch mehr als genug Zeit, wenn du ein paar Tage ausgeruht hast. Ich würde vorschlagen, du machst noch ein Nickerchen, ehe wir an Land gehen.«
»Er hat recht, Martin«, sagte Anne-Marie. »Wir lassen dich jetzt allein.«
Sie gingen hinaus. Brosnan legte sich hin, deckte sich zu und schloß die Augen, fand jedoch keine Ruhe; die verzerrten Bilder der Wellen, die sich im Dunkel brachen, wollten nicht weichen. Seine Augen brannten von dem Salz. Aber er war frei, das war das Unfaßliche. Frei nach vier Jahren in einem der sichersten Gefängnisse Europas – und doch, der Gedanke daran schien keinerlei Wirkung auf ihn zu haben.
Zuletzt schlief er ein, fuhr aber plötzlich hoch und merkte, daß der Kutter kaum noch Fahrt machte. Er blieb noch kurz liegen und dachte nach, stand dann auf und zog die Sachen an, die sie für ihn zurechtgelegt hatten, Jeans, einen dicken See mannspullover und einen kurzen Mantel.
Als er an Deck trat, regnete es immer noch, aber die See war ruhiger, weil sie bereits im Windschatten der Küste waren. Anne-Marie stand an der Reling und schaute zu, wie Devlin und Jean-Paul eine der Leichen in das Schlauchboot ließen, in dem Claude wartete. Die andere lag auf dem Rücken an Deck. Ihr Gesicht war in ein Tuch gehüllt, damit man die Verstüm melungen nicht sah, und sie hatte Brosnans Gefängniskluft, den Regenmantel und die beiden Schwimmwesten an.
»Dein anderes Ich.« Devlin kniete hin und schob den Ärmel hoch, so daß die tätowierte Sträflingsnummer zum Vorschein kam.
»Du denkst an alles«, sagte Brosnan.
»Jean-Paul, nicht ich. Ich begreife langsam, warum der Junge als Gangster so erfolgreich ist.«
Sie hoben die Leiche hoch und ließen sie in das Schlauch boot, wo Claude und Jean-Paul, der inzwischen ebenfalls hinuntergeklettert war, sie in Empfang nahmen. Brosnan sagte: »Ihr müßt sie aneinander leinen. Nicht vergessen. Dann wirkt es echter.«
»Wird gemacht.« Jean-Paul ließ den Außenbordmotor an und steuerte das Schlauchboot zur Küste.
Die drei lehnten an der Reling und
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