Die Teufelsrose
kein Zurück gab. Erinnerst du dich, was Yeats einmal gesagt hat? ›Ein Opfer, das zu lange währt, kann das Herz in Stein verwandeln.‹« Er schüttelte den Kopf. »Zuviel Blut, meine liebe Anne-Marie, zu viele Tote. Das kann nichts auf wiegen. Für mich gibt es keine großen Anliegen mehr.«
»Was also hast du vor?«
»Habe ich dir je erzählt, daß die Brosnans aus Kerry kom
men? Ich hab dort vor ein paar Jahren eine Farm gekauft. Schafe, genau wie hier.« Er lachte. »Ich mag Schafe. Sie nehmen das Leben nicht zu ernst.«
»Du möchtest also dorthin zurück?«
»Es ist wunderschön. Das Meer und die Berge, grünes Gras, warmer Regen, und abends leuchten die Fuchsien. Man nennt sie Deorini Dei, Tränen Gottes.« Er lachte leise. »Und dort gibt's die hübschesten Mädchen von ganz Irland.«
Er war aufgestanden, um sich zu recken, und sah nun, daß sie ihn mit einem Hauch von Schmerz in den Augen beobachtete. Er trat zu ihr und griff nach ihrer Hand. »Du würdest sehr gut dorthin passen.«
Er zog sie an sich und küßte sie. Ihre Lippen waren weich und trocken, er zitterte ein wenig, und seine Kehle zog sich vor Erregung zusammen. Einen Augenblick lang erwiderte sie seinen Kuß, schob ihn zurück, und dann atmete sie tief ein.
»Nein, Martin, ich will nicht wieder damit anfangen. Weißt du, ich glaube nicht, daß du dich geändert hast, trotz allem, was du eben gesagt hast. Ich glaube, du wirst immer ein Henker der Bewegung sein. Und jetzt laß uns bitte zurückgehen.«
Sie drehte sich um und ging zu dem Motorrad.
Die Maschine aus Paris landete um halb fünf auf dem Flugha fen Nizza. Frank Barry mietete bei einer Leihwagenfirma einen Peugeot, erkundigte sich nach dem Weg nach St. Martin und fuhr sofort los. Er brauchte nur eine Stunde. Er trank in einem der beiden Dorfcafés ein Glas Wein, und der gesprächige Kellner erklärte ihm, wo Anne-Marie Audins Bauernhof lag. Gegen sechs Uhr hockte er hinter einer Mauer in einem Oli venhain auf der anderen Seite des Tals und beobachtete das Haus durch einen Feldstecher.
Das einzige Zeichen von Leben war der Rauch, der aus ei nem der Schornsteine senkrecht in die unbewegte Luft stieg. Er zündete sich eine Zigarette an und wartete. Etwa eine Viertel stunde später wurde die Tür geöffnet, und Liam Devlin kam auf den Hof geschlendert.
»Aha«, sagte Barry leise. »Wen haben wir denn da?«
Er hörte ein brummendes Motorgeräusch aus der Ferne. Mit dem Feldstecher suchte er den Hang über dem Haus ab und entdeckte dann die Montesa.
Zuerst sah es aus, als säßen zwei Männer darauf. Anne-Marie hatte ihren Mützenschirm nach unten gedrückt; das Gesicht des Mannes hinter ihr konnte er nicht erkennen. Das Motorrad erreichte den Hof und hielt. Als Devlin auf sie zuging, nahm Anne-Marie die Mütze ab und schüttelte ihre Haare, während Brosnan stehenblieb und sich eine Zigarette anzündete, so daß Barry sein Gesicht sehen konnte.
Barry lachte leise, und ihn durchrieselte ein beinahe lustvol les Gefühl der Spannung, das er sich selbst nicht erklären konnte. »Gott steh uns bei, Martin«, sagte er vor sich hin. »Du bist wieder mal dem Tod von der Schippe gesprungen, du
Halunke.«
Die drei gingen ins Haus. Barry wartete noch eine Weile, stand dann auf und ging den schmalen Weg zurück zu der Stelle, wo er den Peugeot gelassen hatte.
»Was machen wir als nächstes?« sagte Brosnan zu Devlin.
Es war nach dem Essen, und sie saßen beim Schein einer Lampe am Ofen. Hinter der angelehnten Tür hörten sie AnneMarie in der Küche hantieren.
»Es gibt nur eine Möglichkeit«, antwortete Devlin. »Barrys KGB-Kontakt in Paris, dieser Romanoff.«
»Wir können nicht gut bei der sowjetischen Botschaft anfra gen.«
»Ist auch nicht nötig. Ferguson hat mir die Adresse seiner Wohnung in der Stadt und seines Hauses außerhalb von Paris gegeben. Die Stadtwohnung ist im Boulevard St.-Germain.«
»Gut«, sagte Brosnan. »Dann fahren wir morgen hin.«
Anne-Marie kam, mit Tee und Kaffee auf einem Tablett, ins Zimmer und hörte seine letzten Worte und Devlins Antwort: »Verdammt, Martin, würdest du uns bitte Zeit zum Atemholen lassen!«
»Ich sehe keine Notwendigkeit, noch länger hier rumzuhän gen«, erwiderte Brosnan.
»Er kann die Beerdigung nicht abwarten«, sagte Anne-Marie und ging in die Küche zurück.
Devlin sagte: »Wenn du unbedingt willst, gebe ich dir jetzt am
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