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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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mein Herz berührt haben. Wo sie auch sind, in dieser Welt oder … der anderen.«
    Vivien sah ihn nicht an. Er spielte das Ave Maria (Ellens Gesang III ) , eine Improvisation Liszts über das bekannte Lied von Schubert. Nach dem aufregenden Zwischenfall sehnte sich das Publikum nach einer Entladung und reagierte mit überschwenglichem Applaus.
    Eine demütige Verbeugung.
    Bravissimo-Rufe.
    Valdin machte sich für sein großes Finale bereit. Danach hatte Notovich noch eine letzte Chance, das Duell zu seinen Gunsten zu entscheiden. Er mußte also dasitzen und abwarten, was sehr unangenehm war mit so viel Adrenalin im Blut. Sein Rivale ergriff das Wort und begann eine Geschichte über Liszt. Ja, jetzt wird er natürlich von der Teufelssonate anfangen. Aber Valdin erwähnte diese mit keiner Silbe. Er erzählte über die edle Kunst des Improvisierens. Und während er Notovich einen selbstsicheren Blick zuwarf, forderte er das Publikum auf, Themen für beide Pianisten vorzuschlagen.
    »… zumindest, … wenn Maestro Notovich damit einverstanden ist?«
    Notovich spürte, wie sein Körper erstarrte. In der ersten Reihe geriet auch Bröll sichtlich in Streß. Das ist gegen die Absprache, verflucht , sah er ihn denken. Es war so ungefähr die einzige Forderung, die Notovich explizit gestellt hatte: Valdin durfte ihn nicht zum Improvisieren herausfordern. Denn wenn er improvisieren würde, sollte es eine Überraschung sein. Aber Valdin fühlte sich offenbar in die Enge getrieben und versuchte, Notovich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Bröll gab Notovich mit der Hand ein Zeichen, daß er nicht darauf einzugehen brauche.
    Notovich tat, als ob er zweifle, doch in Wahrheit hatte er die Entscheidung bereits getroffen.
    Er nickte Valdin zu.
    »Unter einer Bedingung, verehrter Kollege.«
    »Und die wäre?« fragte Valdin mit einem goldenen Lächeln, funkelnd in einem Sternenhimmel von Fernsehlampen.
    »Daß ich Ihre schöne Freundin heute abend mit nach Hause nehmen darf, wenn ich gewinne. Für ein Diner, einen Drink und wer weiß …?«
    Vivien sah erst erschrocken zu Notovich und dann zu Valdin, als ob sie ertappt worden wäre. Sie hatte Angst vor dem Franzosen, soviel war klar. Wahrscheinlich hatte er ihr weh getan. Und Notovich hatte sie jeden Abend wieder zu diesem Scheusal zurückgeschickt. Doch jetzt würde er sie retten.
    Valdin erbleichte. Er schaute wie ein Schüler, der an die Tafel gerufen wird und plötzlich kein Wort mehr herausbringt. Aber er faßte sich schnell. Er sagte höflich, daß die Entscheidung nicht bei ihm liege. Das Publikum lachte, und der Moderator schaltete sich ein.
    »Was höre ich da, gnädige Frau …«, sagte er, während er sich mit seinem Mikrophon neben Vivien kniete. »Halten Sie das für einen romantischen Plan oder eher nicht? Gehen Sie heute abend mit Notovich mit, wenn Ihr Freund dieses Duell verliert?«
    Vivien sah sich scheu um, von der plötzlichen Aufmerksamkeit überfallen. Notovich lächelte ihr beruhigend zu. Sie blickte Valdin giftig an, vermutlich erbost, daß er das Angebot nicht abzulehnen wagte.
    »Ach«, sagte sie schließlich mit fester Stimme, »das ist vielleicht mal was anderes.«
    Lauter Applaus, große Heiterkeit. Notovich war erleichtert, denn sie hatte sich nun öffentlich für ihn entschieden. Valdin konnte einfach nicht mehr gewinnen. Der Franzose stand verloren da, während die Wut in ihm gärte.
    »Aber …«, fuhr der Moderator fort und kroch weiter über das Podium …, »was sagt Notovichs Freundin dazu? Das würde mich ja mal brennend interessieren …«
    Als er bei Natasjas Stuhl ankam, wurde die Heiterkeit noch größer: Sie hatte den Saal verlassen. Ein Stich der Reue durchzuckte Notovich. War es wirklich nötig gewesen, sie vor all diesen Leuten zu demütigen? Andererseits war das vielleicht die einzige Möglichkeit, ihr klarzumachen, daß er sich nie ändern würde, daß er für immer in der Macht einer größeren Liebe sein würde. Ihrer Liebe.
    Er mußte diese Gedanken von sich abschütteln, denn er konnte jetzt nicht mehr zurück. Er mußte improvisieren. Das Publikum durfte zuerst ein Thema für Valdin vorschlagen. Und da tönten sie wieder aus dem Saal: die Melodien populärer Ohrwürmer, beliebter Comedyserien und Volkslieder. Doch auf einmal rief jemand irgendwo vorn im Saal nach dem Ständchen von Schubert. Und Valdin zeigte mit dem Finger in die Richtung der Dame, von der das gekommen war.
    »Sie wissen vielleicht, daß Liszt eine schöne

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