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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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Komposition über dieses Thema geschrieben hat?«
    Ein Spot wurde auf die junge Frau gerichtet. Die nickte eifrig und sagte, das sei eines ihrer Lieblingsstücke. Jetzt brachte Valdin erstmals wieder ein flaues Lächeln zustande. Notovichs Eingeweide preßten sich langsam zusammen: Er hat eine Improvisation über »Ständchen« einstudiert. Die Frau im Publikum war von Valdin angeheuert worden. Es war ein abgekartetes Spiel.
    Er hätte wütend sein müssen oder ängstlich vor dem, was kommen würde. Aber er fühlte sich seltsamerweise stärker dadurch, fast amüsiert. Eine Improvisation vorzubereiten war ein Zeichen von Schwäche.
 
    Ständchen war ein sehr bekanntes Lied von Schubert, das Senna ihm vorgesungen hatte:
 
    Leise flehen meine Lieder
    Durch die Nacht zu dir;
    In den stillen Hain hernieder,
    Liebchen, komm zu mir!
    Laß auch dir die Brust bewegen,
    Liebchen, höre mich!
    Bebend harr' ich dir entgegen!
    Komm, beglücke mich!
     
    Es war, als ob diese Worte nur für Senna geschrieben worden wären. Hatte sie Valdin davon erzählt, in den Nächten, in denen sie zusammen gewesen waren? Hatten sie gemeinsam über ihn gelacht? Oder hätte der Verrat Senna zuviel Schmerz bereitet?
    Für einen Moment fürchtete er, daß Valdin seinen größten Trumpf in den Streit werfen und doch noch die Teufelssonate spielen würde. Aber es kam keine Teufelssonate .
    Die Improvisation über Ständchen , die Valdin vortrug, war ohne Saft und Kraft. Viviens Reaktion hatte ihn wahrscheinlich aus dem Konzept gebracht. Notovich hätte jubeln mögen. Ihm wurde klar, daß er wirklich gewinnen konnte.
    Und auch wie.
    Als Valdin mit seiner groß angelegten und viel zu ausgefeilten »Improvisation« fertig war, erhielt er überwältigenden Applaus. Der Moderator rief, seiner Meinung nach seien beide Virtuosen gleich gut. Es gebe nur eine Möglichkeit, herauszufinden, wer dieses Duell gewinnen würde. Nur eine Möglichkeit!
    »Sie können jetzt schon per SMS abstimmen.«
    Die Worte drangen nicht mehr zu Notovich durch, sonst wäre er sicher fassungslos gewesen. Er hätte gesehen, wie Bröll sich zusammenkrümmte, weil er einen Ausbruch seines Schützlings erwartete. Oder noch schlimmer: daß Notovich wieder davonlaufen würde.
    Aber nichts drang mehr zu ihm durch.
    Das gespannte Hüsteln im Publikum. Die Klimaanlage, die im Hintergrund summte. Die Regieanweisungen, die so laut in die Kopfhörer der Kameraleute gesprochen wurden, daß man sie auf dem Podium hören konnte. Und der Moderator, der rief: »Die Leitungen sind noch kurze Zeit geöffnet.«
    Er nahm nichts davon wahr.
    Notovich lief zum Flügel, während er seinen Gürtel löste. Ein Raunen erhob sich im Publikum. Was passierte hier? So bunt würde er es doch nicht treiben? Aber Notovich lächelte entspannt in den Saal. Mit theatralischer Geste zog er den Gürtel aus den Schlaufen und schnallte ihn an sein rechtes Handgelenk. Dann setzte er sich an den Flügel. Er winkte jemanden vom Kamerateam herbei, um das andere Ende des Gürtels an den Fuß der Klavierbank zu binden.
    Bis seine rechte Hand ganz festsaß.
    Er achtete nicht auf die halbunterdrückten Reaktionen im Saal. Er hörte nicht auf den Einwand des Moderators. Er schloß die Augen und stellte sich vor, wie Senna auf dem Flügel Platz nahm.
    Das ist für dich, meine Liebste. Nur für dich.
    Er hatte keine Angst mehr vor der Dunkelheit. Er hatte immer am Rand des schwarzen Lochs gelebt, in einer Welt voller Schatten. Hier gehörte er hin. Es hatte keinen Sinn, noch länger davor zu flüchten.
    Er straffte sich und spielte seine eigene Improvisation über Ständchen von Schubert. Raffiniert, subtil und verblüffend originell.
    Mit der linken Hand.

39
    E r erwachte in einem stinkenden Bett mit lauter leeren Flaschen, Zigarrenstummeln, undefinierbaren Flecken und einem Mädchen, das er nicht kannte. Auf dem Sofa lag noch ein nacktes Mädchen. Bröll war in einem Sessel zusammengesunken mit einer Nase voll weißem Pulver und einem tragbaren Fernseher auf dem Schoß, den er festhielt wie einen Teddybären.
    Sieger, mein großer Sieger. Mein Eroberer. Das hatte sie ihm andauernd ins Ohr geflüstert, in einem endlosen Auf- und Abebben von Seufzern. In der Dämmerzone zwischen Klarheit und Halluzination hatte er immer gedacht, daß sie es sei, aber nun sah er, daß er sich geirrt hatte.
    Er wollte sich aufrichten, ließ sich jedoch erschöpft wieder aufs Bett fallen. Das Mädchen rollte sich zu ihm und fing an, im Halbschlaf

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