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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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das?« fragte Bröll, während er Notovichs Reaktion auslotete.
    »Ganz einfach«, fuhr Natasja fort. »Es war zu raffiniert gebaut: wie die Themen sich abwechselten, und dann diese Modulationen immer genau im perfekten Augenblick. Es hatte einen fast klassischen Aufbau. Da hätte Mozart ihn nicht übertroffen. Und sogar Beethoven hat nicht einfach so drauflos improvisiert; er hat Läufe und Themen vorbereitet, die er in jedem Moment einsetzen konnte. Das macht Valdin echt nicht besser. Ich meine, diese angebliche Improvisation war viel strenger komponiert als Mazeppa selbst. Niemand würde es wirklich wagen über ein so höllisch schwieriges Stück zu improvisieren.«
    Bröll zog die Augenbrauen hoch.
    »Du meinst also, Valdin ist ein Schwindler?«
    Notovich trank einen Schluck Orangensaft. Natürlich hatte sie recht. Warum hatte er das nicht sofort durchschaut? Er hatte sich einschüchtern lassen wie ein unsicherer Anfänger. All seine alten Ängste waren hochgekommen, und dadurch hatte er jegliche Sicht auf die Realität verloren.
    Bröll stand auf. Er sah müde und angespannt aus, aber er wich Notovichs Blick aus.
    »Was machen wir?« sagte er sachlich. »Soll ich deine Tour absagen? Mir ist alles recht. Ich rechne mit nichts mehr.«
    »Unternimm nichts. Ich ruf dich an.«
    Als Bröll weg war, zog er Natasja auf seinen Schoß.
    »Was bist du nur für ein schlaues Mädchen.«
    »Ich spiele auch ganz passabel Klavier.«
    Sie küßten sich.
    Doch es blieben Fragen. Daß Valdin nicht überrascht war, als Notovich auftauchte, das mochte ja noch angehen. Er selbst hatte Notovichs Konzert gestört, die Chance war also groß, daß dieser ihn mit einem Besuch beehren würde. Darauf hatte Valdin sogar gehofft. Auch auf diese angebliche Improvisation hatte er sich gut vorbereitet. Das war alles noch nachvollziehbar. Aber woher wußte er, daß Notovich ausgerechnet Mazeppa vortragen würde? Es war eine spontane Entscheidung gewesen; er hätte jede andere Komposition auswählen können. Und er ging nicht davon aus, daß Valdin übersinnliche Fähigkeiten hatte.
    »Warum hast du eigentlich dieses Stück gespielt?« fragte Natasja. »Ich habe es noch nie von dir gehört.«
    Er wußte nicht, wo er anfangen sollte.
    »Es hat etwas mit ihr zu tun, nicht wahr? Mit Senna.«
    Er schob sie vorsichtig von sich herunter und ging zur Spüle, obwohl er dort nichts zu suchen hatte.
    »Okay, du wirst es mir also nicht freiwillig erzählen«, sagte sie. Sie hatte ihre Frage wahrscheinlich die ganze Zeit für sich behalten. Doch jetzt hatte sich diese zwischen sie gezwängt wie ein Ballon, der kurz vor dem Platzen steht: »Wer war die Frau in der ersten Reihe?«
    »Wo hast du denn gesessen?« fragte er, um Zeit zu gewinnen.
    »Nun sag schon, Mikhael.«
    »Sie ist die Freundin von Valdin.«
    »Hat sie auch einen Namen?«
    »Äh … Vivien.«
    »Soll das bedeuten: Ich-kenne-sie-nicht-wie-heißt-diese-Person-doch-gleich? Oder: Ich-weiß-verdammt-genau-wie-sie-heißt-aber-das-geht-dich-einen-feuchten-Dreck-an? Du willst mir doch wohl nicht weismachen, daß du sie nicht kennst. So wie du sie angesehen hast und sie dich. Ist da etwas, was ich wissen sollte?«
    Er verstand ihre Reaktion, aber es gab nun einmal Dinge, die er ihr nicht erklären konnte. Die er sich selbst nicht einmal erklären konnte.
    »Sie sieht Senna ziemlich ähnlich«, sagte er. »Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.«
    »Oh.«
    Der Ton, in dem sie das sagte, hatte etwas Endgültiges, als wäre ihr nun alles klar. Auf einmal erinnerte er sich, daß er Vivien die ersten Takte von Mazeppa vorgespielt hatte. Er hatte auch mit ihr über die Komposition gesprochen. Natürlich. Es war alles Absicht. Vivien wollte Senna ähneln; sie wollte ihn verrückt machen, das war ganz offensichtlich. Hatte er ihr auch erzählt, daß er das Stück immer spielte, wenn Senna im Saal saß? Daß das ihrer beider Geheimnis gewesen war, als sie noch lebte?
 
    Diese Komposition war sogar der Anlaß seines Streits mit Senna gewesen. Sie wolle das nie wieder hören, sagte sie nach einem der letzten Auftritte, bei dem sie dabei gewesen war. Das Pferdestück nannte sie es. Er gab die gekränkte Unschuld.
    »Du meinst Mazeppa ?« fragte er. »Kann ich was dafür, daß die Frauen in der ersten Reihe alle geseufzt und gekichert haben? Es kommt kein normaler Mensch mehr in meine Konzerte. Ich fühle mich wie ein Zirkusaffe.«
    »Du genießt es, und du übertreibst so. Du spielst es, als ob du gleich

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