Die Teufelssonate
schaute der Pianist mürrisch hinaus.
Während der restlichen Fahrt ins Fernsehstudio wurde nicht mehr gesprochen.
Die Organisation der Veranstaltung war an Notovich vorbeigegangen. Er hatte ab und zu ein paar Einfälle gehabt, die er mitten in der Nacht auf Brölls Anrufbeantworter gesprochen hatte. Was er genau verlangt hatte, wußte er nicht mehr, aber wenn Bröll am nächsten Morgen in Panik zurückgerufen hatte, war Notovich immer gerade beim Üben gewesen und hatte sich geweigert, ihn anzuhören. Bröll kenne doch seine Forderungen? Er dürfe alle Verhandlungen mit der Gegenseite und dem Sender führen. Er würde schon sehen, was Bröll davon zustandebrachte.
Als die Verhandlungen zu scheitern drohten, wurden Brölls flehentliche Bitten an Natasja immer verzweifelter. Die gab ihm den Auftrag, im Sinne von Notovich zu handeln.
»Von welchem Notovich genau?« seufzte Bröll verärgert. »Er ist so launisch, ich kann nicht einfach nur raten, was er will. Ich muß ihn wirklich sprechen. Die Pläne sind ziemlich … hochfliegend. Und ich bin am Ende verantwortlich. Ich will nicht, daß er im letzten Moment einen Rückzieher macht.«
»Das wird er nicht«, antwortete Natasja. »Das verspricht er. Ich muß jetzt auflegen.«
Schließlich tat Bröll alles, was Notovich ihm aufgetragen hatte. Er hatte keine Ahnung, ob das im Sinne von Notovich war, aber es garantierte auf jeden Fall eine gigantische Publicity.
Vor einer Woche hatten Nicole und Linda noch versucht, den Auftritt zu verhindern. Linda hatte zwei Stunden lang heulend in Notovichs Haustürnische gesessen. Und Nicole hatte an Brölls Gewissen appelliert, doch der wurde lieber nicht allzu eindringlich mit diesem Teil seiner Persönlichkeit konfrontiert. Außerdem stand er durch die exorbitanten Pläne und Forderungen Notovichs immer tiefer bei Luboš, dem Friedliebenden, in der Kreide.
Vor dem Studio wartete bereits eine große Gruppe von Menschen. Notovich beugte sich zum Fenster. Rechts von dem quadratischen Betonbau standen zwei Polizeiautos. Waren die seinetwegen da?
»Können wir dieser Menge nicht aus dem Weg gehen?« fragte er. Luboš nickte und gab dem Chauffeur ein Zeichen. Sie fuhren auf die Rückseite des Studiokomplexes.
Auf einem sandigen Parkplatz stiegen sie aus.
Erregte Stimmen näherten sich. Wie ein Rudel Wölfe nahm die Horde Journalisten die Jagd auf. Bröll versuchte, Notovich so schnell wie möglich hineinzulotsen, doch im Nu waren überall Blitzlichter, ausgestreckte Mikrophone und greiflustige Hände, die den Pianisten vor die Kameras zerren wollten.
Aber er zog sich in seine eigene Welt zurück. Inmitten des ganzen Tumults war er der einsamste Mensch auf Erden.
Sie liefen einen großen, ungemütlichen Flur entlang; Notovich glaubte, Chlor zu riechen.
»Hat die Presse drinnen Zugang?« fragte er Bröll.
»Natürlich ist Presse dabei. Du machst doch jetzt keinen Rückzieher, oder? Du hast mich alles regeln lassen, erinnerst du dich?«
»Kann jeder einfach so hereinkommen?«
»Müssen wir dieses Gespräch jetzt auf einmal doch führen? Verdammt, Noto! Tu mir das nicht an.«
»Ich rede von der Polizei«, sagte Notovich leise. »Können die mich hier wegholen?«
»Alles gut?« ertönte auf einmal eine tiefe Stimme hinter ihnen. Es war Luboš. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden.
»Alles gut, Luboš. Alles in bester Ordnung. Mach dir keine Sorgen«, sagte Bröll, aber er sprach sich vor allem selbst Mut zu. Luboš ließ sich nicht abwimmeln. Er schaute Notovich prüfend an.
»Alles gut, Luboš«, sagte Notovich so unbekümmert wie möglich.
Der fiel nicht darauf herein. Er grinste.
»Keine Sorgen machen wegen Polizei«, sagte Luboš.
»Polizei?«
»Meine Leute stehen an der Tür. Okay?«
Bröll und Notovich blickten ihn erstaunt an.
»Ich habe Freunde. Überall. Sie wissen, wann sie sich fernhalten müssen.«
Wieder ein breites Grinsen. Notovich sah, daß er zwei goldene Schneidezähne hatte.
»Danke.«
»Künstler – wie die Ganoven!« sagte Luboš. Und er klopfte Bröll lachend auf die Schultern. Der sah auf einmal so erleichtert aus, daß es den Anschein hatte, als würde er gleich in Schluchzen ausbrechen.
Sie liefen weiter. Es wurde immer voller. Menschen mit Kopfhörern und Drehbüchern rannten durch die Gänge. Der Chlorgeruch wurde penetranter.
»Okay.« Notovich verlangsamte seinen Schritt. »Ich möchte schon wissen, was mich da drinnen erwartet.«
»Das wirst du ja
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