Die Teufelssonate
habe das Werk eigens für dich geschrieben. Darum hättest du nun genau wie Franz Liszt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf deine große Liebe. Senna würde immer dir gehören, ob sie nun wolle oder nicht.«
»Blödsinn«, sagte Notovich. Aber seine Finger klopften so laut, daß er sie in die Taschen stecken mußte. Der Nebel in seinem Kopf schien sich schwadenweise zu lichten.
»Du hast mir das Blatt mit der Teufelssonate gegeben. Das würdest du doch nicht mehr brauchen, hast du gesagt. Deiner Meinung nach würde ich die Musik ohnehin nicht begreifen, es könne also nichts schaden. Aber da irrst du dich, Maestro. Ich habe diese Musik die ganze Zeit in Ehren gehalten. Ich bin eins damit geworden, eins mit dem Meister. Darum werde ich dich heute abend zerquetschen wie eine Kakerlake. Dies wird mein Abend. Ich werde der Welt zeigen, wer der wahre Erbe Liszts ist.«
»Du wirst die Teufelssonate spielen?«
»Nur wenn es nötig ist«, sagte Valdin. »Denn ich glaube, das Publikum wird solche hochstehende Kunst sowieso nicht verstehen. Und ich denke, daß ich das Duell auch ohne Teufelssonate gewinnen werde.«
»Du behauptest also, daß es diese Sonate gibt?«
»Natürlich. Und sie steckt mir im Blut. Ich spüre die Kraft Liszts in mir, Notovich. Er lebt in mir. Und du … du hast das verloren. Du zehrst seit Jahren nur noch von der Reputation deiner Anfangszeit. In dem letzten Jahr in Paris hast du schon kaum noch etwas zustande gebracht, so tief warst du gesunken.«
Es klang unsinnig. Valdin hatte nie eine Beziehung zu Liszt gehabt, er äffte Notovich bloß nach. Und doch … Valdin strahlte die Selbstsicherheit aus, die Notovich einst groß gemacht hatte. Mehr denn je verspürte er das Bedürfnis, Valdin zu demütigen.
Die Tür ging auf.
»Darf ich reinkommen?«
Es war Vivien.
Es war alles Absicht, natürlich. Der glänzende rote Stoff ihres Abendkleids: eine exakte Kopie des Exemplars, das Notovich einmal für Senna gekauft hatte. Das lange schwarze Haar, das genau so in ihrem Nacken hing wie bei Senna. Der ausgiebige Zungenkuß, den Valdin ihr gab. Und (als Gnadenstoß) die fast gierige Art und Weise, wie Vivien ihn erwiderte. Das Bild kam ihm bekannt vor. Und wie durchschaubar es auch war: Es funktionierte. Notovich spürte, daß er wütend wurde. Auf sie . Ohne Frage zwang Valdin sie dazu, aber es sah doch verdächtig danach aus, daß sie nur allzugern gezwungen werden wollte . Sie wich Notovichs Blick aus, als ob sie ein Verbrechen begangen habe. War sie zu Valdin zurückgekehrt, weil Notovich darum gebeten hatte oder weil sie wirklich etwas für den Franzosen empfand? Hatte sie tatsächlich Angst vor ihm, wie sie behauptete? Dann hätte sie doch auch einfach aus der Stadt flüchten können? Er fühlte beißende Säure aus seinem Magen aufsteigen.
»Du scheinst erstaunt zu sein, daß sie bei mir ist«, flüsterte Valdin. Sein Atem roch nach Verwesung, als ob er den Tod geschmeckt hätte.
»Ich wüßte nicht, warum ich erstaunt sein sollte«, log Notovich.
»Sieh ihr in die Augen, Mikhael. Es ist ihr Geist, der darin lebt, in diesem Herz pocht ihre Liebe. Doch sie gehört mir, wieder mir. Senna hat sich damals auch für mich entschieden. Weißt du noch?«
»Du hast versucht, sie mir wegzunehmen, aber sie hat nie jemanden so geliebt wie mich!«
Valdin beugte sich zu Notovich hinunter und sagte langsam und präzise: »Laß mich eins richtigstellen, du Stück Psychose auf zwei Beinen: Ich habe dir Senna nicht weggenommen. Du hast sie mir weggenommen. Aber als sie eingesehen hat, daß du total verrückt bist, ist sie zu mir zurückgekommen.«
»Daß ich nicht lache.«
»Warte nur. Am Ende des Abends erinnerst du dich an alles, das verspreche ich dir. Dann wirst du wieder wissen, wie du sie getötet hast.«
37
D ie Virtuosen traten zusammen auf den Gang hinaus. Sofort schwärmte eine Gruppe von Leuten hinter ihnen her, dankbar, daß sie ihr nervöses Nichtstun in scheinbare Aktion umwandeln konnten. Ein Mädchen mit einem Headset gab der Regie durch, daß sie unterwegs waren; es schaute dabei sehr gewichtig drein. Am Ende des Ganges hielt eine andere Gestalt mit einem Headset die Gruppe auf.
»Drei Minuten noch.«
Bröll wartete mit Natasja. Er hatte dicke Ringe unter den Augen und blaue Lippen vor Nervosität.
»Was wollte Valdin?« fragte Natasja, während sie Notovich kurz beiseite nahm.
»Nichts. Laß mich nur.«
Die Pianisten wurden für den Auftritt jeder an einen anderen Ort
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