Die Teufelssonate
die Eintrittspreise zu hoch. Natasja hatte den Raum verlassen, um sich irgendwo frisch zu machen.
Als er aufblickte, stand die hoch gewachsene Gestalt Valdins im Zimmer, wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt. Das einzige, was ihn real machte, war das Knarren des Ledermantels, der ihm bis zu den Fersen reichte.
»Üb nicht zu hart. Davon wirst du nur nervöser«, sagte er auf Französisch.
»Was willst du hier?« fragte Notovich so beherrscht wie möglich.
Sein Rivale lächelte.
»Eine bekannte Szene: du am Klavier und ich bei dir auf Audienz. Weißt du noch?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»Natürlich. Du erinnerst dich an viel mehr, als du zugibst. Es war in Le Souterrain . Da saßt du damals mit ein paar Freunden und Bewunderern. Und ich, ein junger Spund, kam herein. Ein bißchen so wie jetzt, nur bin ich nicht mehr so unsicher und unerfahren.«
»Schon möglich.«
»Du hattest mir gerade mein Debütkonzert vermasselt.«
»Geht es darum? Mußtest du mich deshalb unbedingt zu einem Duell herausfordern? Komm schon, Valdin. Es war eine lange Nacht gewesen, und ich bin bei deinem Auftritt eingeschlafen. Bist du immer noch böse darüber?«
»Du hättest dich entschuldigen können. Aber darum habe ich dich damals nicht einmal gebeten.«
»Großer Junge.«
»Das einzige, was ich wollte, war eine Chance, der Welt zu zeigen, was ich kann. Und es gab nur einen, der mir dabei helfen konnte: der Mann, der meinen Ruf ruiniert hatte. Der große Notovich.«
»Dafür habe ich jetzt keine Zeit.«
»Du wirst mir zuhören«, sagte Valdin. Er strahlte eine stille, unerschütterliche Wut aus. »Du bist nun hier. Du kannst nicht mehr kneifen, ohne dich unsterblich lächerlich zu machen. Jetzt kann ich dir also getrost erzählen, warum ich dich heute abend demütigen werde.«
Notovich seufzte ergeben. Aus dem Einspielen würde nun doch nichts mehr werden.
»Ich höre.«
»Da becherten also deine großartigen Freunde teuren Wein und Champagner, während du fieberhaft am Flügel improvisiertest.« Er klang bemüht heiter. »Ein paar Frauen lagen dir ohnmächtig zu Füßen. Ich schluckte meinen Stolz hinunter und bat dich, mir zu helfen. Du hättest öffentlich erklären können, daß der ganze Vorfall ein Irrtum gewesen sei. Oder du hättest mich in dein Vorprogramm aufnehmen können, um meiner Karriere wieder auf die Sprünge zu helfen. Aber nein … natürlich nicht! Es sei undenkbar, daß ich das Podium jemals mit dir, dem großen Genie, teilen würde. Mehr noch: der Gedanke, daß ich dich so etwas Unerhörtes zu bitten wagte, brachte dich auf einmal furchtbar auf.«
Die Szene kam Notovich in der Tat vage bekannt vor, aber an die Einzelheiten konnte er sich nicht erinnern. Warum beeilte Valdin sich nicht ein bißchen mit seinem pubertären Gefasel? Wahrscheinlich wollte er einfach seine Konzentration stören. Er mußte sich, verdammt noch mal, für seinen Auftritt sammeln.
Es klopfte, und der Aufnahmeleiter steckte den Kopf durch die Tür, um Notovich mitzunehmen.
»Wir sind beschäftigt!« sagte Valdin scharf. Der Aufnahmeleiter schaute einen Moment verdattert und schloß die Tür wieder.
»Wir müssen auf die Bühne, Valdin! Kann das nicht warten? Warum gehst du nicht zu einem Psychiater? Den hast du anscheinend nötig.«
»Du hattest meine Karriere in der Hand, aber nein zu sagen, reichte dir nicht«, fuhr der Franzose unbeirrbar fort. »Eine Abweisung hatte nicht genug abschreckende Wirkung. Der junge Pianist mußte definitiv in die Schranken gewiesen werden. Weißt du das noch? Du bist explodiert. Ich bekam eine minutenlange Tirade zu hören. Es gebe nur einen wirklichen Pianisten auf der Welt, und das seist du, Mikhael Notovich! Du hast dich total hineingesteigert und bist immer lauter geworden.«
»Kann ich mich nicht dran erinnern.«
»Senna war auch dabei.«
»Das erfindest du doch nur! Geht es hier um sie? Um Senna?«
»Sie war leichenblaß, ich erkannte sie fast nicht mehr wieder. Ihr waren diese Ausbrüche wahrscheinlich nur allzu vertraut, und trotzdem trat sie für mich ein, genau wie damals bei meinem Debüt. Aber das war natürlich Öl ins Feuer: Senna durfte mich nicht einmal ansehen. Keine Frau durfte mich ansehen. Sie gehöre dir, denn du seist der einzige echte Erbe Franz Liszts. Und dann hast du wieder von der Teufelssonate angefangen. Du seist der einzige, der dieses Stück beherrsche. Und dank dieser Sonate sei der Geist Franz Liszts in dich gefahren. Der Meister
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