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Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid

Titel: Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Camilla;Träff Grebe
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Kinder in Rollstühlen, an Fahrdienst, Sonderschule und an behindertengerechte Wohnungen. Ich biss die Zähne so hart zusammen, dass ich fast einen Krampf bekam, und zog mich auf der grünen Plastikpritsche zu einem Ball zusammen. Stefan beugte sich über mich und flüsterte mir ins Ohr, dass alles gut werden würde.
    Noch am selben Tag erhielten wir das Urteil im Söderkrankenhaus. Der Arzt war ein arabischer Mann mittleren Alters. Er schien müde und erschöpft zu sein, war aber sehr freundlich und nahm sich Zeit, uns in gebrochenem Schwedisch alles zu erklären.
    »Das Gehirn des Fötus ist nicht normal entwickelt«, sagte er sachlich, und sein Blick wich unserem schockhaften Entsetzen nicht aus.

    Wir saßen eine lange Zeit nur da und ließen die Worte auf uns wirken.
    »Man nennt es Anencephalie. Der primäre Defekt ist eigentlich die fehlende Schädeldecke, die dazu führt, dass sich die Hirnrinde nicht normal entwickelt. Im Ultraschall kann man das fehlende Kranium und Großhirn mit den beiden Hemisphären erkennen.«
    Weder Stefan noch ich brachten ein Wort heraus. Wir saßen schweigend da, während der Arzt uns vorsichtig erklärte, was das bedeutete.
    »Mit dieser Form eines Defekts kann der Fötus sich nicht normal entwickeln, und selbst wenn er die Geburt überleben würde, dann würde das Kind hinterher sterben. Es tut mir wirklich leid, aber ich empfehle Ihnen, die Schwangerschaft so schnell wie möglich abzubrechen. Sie können einen Termin in der kommenden Woche bekommen.«
    Ich fühlte mich verwirrt. Die ganze Situation war absurd. Die Ausdrücke, die der Arzt benutzte, während er mit uns sprach, schienen dazu geschaffen, als ein Prellbock zwischen uns und der Wahrheit zu dienen. Das Kind, das ich in mir trug, war ein Fötus. Er wollte nicht, dass wir es töten, sondern dass die Schwangerschaft abgebrochen wird. Anschließend würde eine Normalisierung meiner Hormone eine erneute Befruchtung innerhalb von ein oder zwei Monaten ermöglichen.
    An diesem Abend stritten Stefan und ich zum ersten Mal seit langer Zeit.
    »Aber wenn er sich nun irrt«, schrie ich. »Wenn das Baby gar nicht geschädigt ist und wir es töten.«
    »Es ist kein Baby, und bei dir hört es sich wie ein Mord an. Wir brechen eine Schwangerschaft ab, die zu nichts führt.« Stefan war rot im Gesicht, vor Wut und aus anderen Gründen.
    Aus viel erschreckenderen Gründen.

    »Aber wenn er sich nun irrt. Wir müssen … wir müssen jemand anderen bitten, einen Ultraschall zu machen. Das ist doch wohl das Mindeste, was man fordern kann, bevor sie es töten …«
    »Halt den Mund! Da ist niemand, der jemanden töten £ soll, okay? Und… ich habe es ja selbst auf dem Ultraschall gesehen.«
    »Aber du bist doch ein Orthopäde. Du hast doch keine Ahnung von pränataler Diagnostik! Alles, was nicht gebrochen oder verdreht ist, das ist… zu… zu anspruchsvoll für dich. «
    »Stell dir vor, sogar ich kann sehen, dass es kein Gehirn hatte. Kapierst du das nicht, Siri? Es hat kein Gehirn!« Stefan ließ sich erschöpft aufs Sofa sinken und begrub seinen Kopf in den Händen. Sein Atem wurde schwerer, und ich konnte gedämpftes, unterdrücktes Schluchzen hören.
    Ich saß schweigend daneben, lange, zum Schweigen gebracht durch die Einsicht, Anencephalie, kein Gehirn, jetzt begriff ich es.
    Wir baten um einen weiteren Ultraschall vor der Abtreibung und bekamen ihn ohne weitere Fragen. Die erste Diagnose wurde von einem weiteren verständnisvollen, freundlichen, aber hoffnungslos hilflosen Arzt bestätigt. »Es gibt nichts, was wir in so einer Situation tun können. Aber Sie werden sicher später ein gesundes Kind bekommen.« Worin er sich natürlich irrte.
    Drei Tage später wurde das Kind entfernt.
     
    Aina in meinen Armen, in höchstem Grade lebendig. Ihr Haar an meiner Wange, kitzelnd. Ihr Duft in meiner Nase, süß, honigartig. Über uns blinkt die kaputte Leuchtstoffröhre in der Zelle auf der Polizeiwache. Ich halte sie krampfhaft fest, fast verzweifelt, wie einen Rettungsring.

    » Aina … «
    Meine Stimme ein einziges Schluchzen.
    »Was ist mit dir? Bist du in Ordnung?« Aina mustert mich irgendwie seltsam, anders als sonst, etwas Dunkles ist in ihrem Blick, ein Hauch von Verärgerung. Ich drücke sie an mich, ohne etwas zu sagen, während mir die Tränen über die Wangen laufen.
    »Was ist eigentlich passiert?«, fragt Aina und zieht die Augenbrauen hoch, blinzelt ein wenig.
    »Ich dachte, du liegst im Sterben«, jammere ich und

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