Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid

Titel: Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Camilla;Träff Grebe
Vom Netzwerk:
riskanten Unternehmen.
    Glücklich oben auf meiner nach Teer duftenden kleinen Brücke sehe ich sie. Sie liegt nackt im Wasser, das helle Haar wie eine Glorie um ihren Kopf herum ausgebreitet. Die Augen sind offen, und das Gesicht ruht fast friedlich auf einem großen, gelbbraunen Büschel Blasenalgen. Mit jeder Welle schaukelt ihr Kopf, und das Haar macht eine wogende Bewegung, so dass es wie Seegras aussieht, das ihren Körper in eine gelbgrüne Decke hüllt. Der Mund steht offen, und die Lippen haben eine blaue Farbe angenommen. Die Arme sind nach oben gestreckt, über den Kopf, als versuchte sie etwas zu erreichen, dort im Wasser. Die Fäuste sind halb geballt, aber ich kann auf ihren unnatürlich bleichen und schmalen Fingern immer noch Spuren des grünen Nagellacks sehen. Der Körper ist klein und dünn wie der eines Kindes, aber mit den Formen einer Frau.
    Es ist Sara Matteus.

     
    Wie bewertet man das Leben eines Menschen? Gibt es eine Art göttliche Kraft, die Leiden und Elend auf uns alle gleichmäßig verteilt? Die aus dem Chaos Gerechtigkeit und Gleichgewicht schafft? Eine harte Kindheit, eine schwierige Jugend, Krankheit und Ausgegrenztheit? Schwamm drüber, denn jetzt folgen Erfolg im Beruf, lebenslange Liebe, Geld auf der Bank und das Älterwerden im Kreise liebevoller Kinder und Kindeskinder?
    Ich weiß, so ist es nicht. Sara wird niemals im Lotto gewinnen, den Richtigen treffen oder ihre schlimmen Erfahrungen dazu nutzen, um junge Mädchen daran zu hindern, abzurutschen. Ihr Leben war kurz und hart, und dieser Gedanke zehrt an mir, lässt meine Hände zittern und treibt mir die Tränen in die Augen.
    Wir sitzen in meinem Wohnzimmer: ich auf dem Sofa, die Füße unter den Po gezogen, die alte Wolldecke mit dem Schottenmuster um meinen Körper gewickelt, mir gegenüber auf zwei Küchenstühlen sitzend Sonja und Markus, die Polizisten, die ein Übermaß an Geduld, Verständnis und Mitgefühl zu haben scheinen. Geduldig lauschen sie meinem konfusen Bericht, stopfen mir Kissen hinter den Rücken, bieten mir Kaffee an, und als ich ablehne, holt Markus netterweise den Wein, um den ich stattdessen bitte.
    Ich habe alles berichtet, was ich weiß. Meine Angaben müssen wirr gewesen sein: ungeordnet, unvollständig, nicht zu Ende geführte Beobachtungen und Erinnerungen. Eine auf die andere gestapelt. Auf einen Haufen geworfen. Dass ich nach
Hause gekommen bin, meine übliche Schwimmrunde gedreht habe, Sara am Ufer gefunden habe und dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, wie ich ins Haus gekommen bin und bei der Polizei angerufen habe. Dass ich dann ein konfuses Gespräch mit den Polizisten aus dem Streifenwagen hatte, die als Erstes an Ort und Stelle waren, während sie die Gegend um meinen kleinen Anleger mit blauweißem Plastikband absperrten.
    Wie ich hysterisch wurde und mich an der Schulter des Polizisten ausheulte, während die Polizistin, eine junge blonde Frau, die Kripo und etwas, was sie den »diensthabenden Arzt« nannte, anrief.
    Das mit dem Arzt habe ich nicht verstanden. Wozu brauchten sie einen Arzt, wenn Sara doch so offensichtlich … tot war?
     
    »Also, sie war eine Ihrer Patienten«, setzt Sonja an, nachdem sie mich mit einem weiteren Glas sauren roten Weins aus dem Karton versorgt hat.
    »Ja.«
    Ich versuche deutlich und vertrauenerweckend auf die Fragen zu antworten, aber meine Stimme will nicht so recht tragen. Sie klingt hohl und schwach.
    »Warum ist Sara zu Ihnen gekommen, ich meine, sie muss doch wohl irgendeine Form von psychischem Problem gehabt haben?«
    »Sara hatte eine psychiatrische Diagnose, Borderline-Syndrom, was eine emotional instabile Persönlichkeit bedeutet, wie einige es lieber nennen.«
    Sonja ist diejenige, die die Fragen stellt, sie ist die Vorgesetzte. Eine dunkelhaarige, dünne, sehnige Frau mittleren Alters mit einer selbstverständlichen Autorität. Aber sie hat etwas Gestresstes an sich. Die Worte kommen schnell, hinterhältig,
wie eine plötzliche Untiefe in einem ruhig dahin fließenden Strom. Es sieht ungefährlich aus, doch man weiß: Wenn man nicht aufpasst, wird man mitgerissen.
    Sie schiebt eine dunkle, müde Haarlocke hinters Ohr. Ich frage mich, wie es ist, mit dem Tod zu arbeiten. Mit dem Bösen. Dem Elend. Ob es ihrem Gesicht anzusehen ist, den Falten auf der Stirn, dem harten Zug um den Mund, ihrer Art, die Fäuste zu ballen, so dass die Knöchel weiß hervortreten, wenn sie mich ins Visier nimmt.
    Markus macht sich Notizen. Er ist jung,

Weitere Kostenlose Bücher