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Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid

Titel: Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Camilla;Träff Grebe
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sieht aus wie zwanzig, aber ich nehme an, dass er älter ist. Blondes, lockiges Haar, ein kindlich glattes, jungenhaftes Gesicht. Wie ein Cherubim. Helle, klar blaue Augen, die mich ununterbrochen betrachten. Der Körper jedoch ist kompakt wie der eines Sportlers. Sehnige, sonnengebräunte, muskulöse Arme, breite Schultern.
    »Sie wissen, dass die Schweigepflicht hinsichtlich eines Patienten aufgehoben werden kann, wenn diese Person Gegenstand einer polizeilichen Ermittlung ist. Und zu einer Ermittlung wird es hier ja kommen, da Sara … tot ist.« Sonja zögert bei den letzten Worten, als wären sie gefährlich und müssten mit größter Vorsicht und viel Respekt ausgesprochen werden.
    »Ich weiß«, bestätige ich.
    Im Gegensatz zu dem, was die meisten glauben, gilt meine Schweigepflicht auch dann nicht, wenn mir ein Patient von einem Verbrechen berichtet, das mehr als zwei Jahre Haft einbringen kann. Nur Pfarrer haben absolute Schweigepflicht.
    »Erzählen Sie mir mehr über diese Borderlinestörung«, bittet sie mich.
    »Okay. Sie wissen sicher schon einiges, aber wie gesagt ist Borderline eine Art Persönlichkeitsstörung. Die typische Borderline-Person ist ein Mädchen. Emotional instabil und ab und zu selbstdestruktiv. Hat instabile, aber äußerst intensive
Beziehungen, ist nicht selten sexuell sehr aktiv und zum Teil auch selbstmordgefährdet. Obwohl, selbstmordgefährdet, das war Sara nun ganz und gar nicht.«
    Ich merke selbst, dass ich klinge, als würde ich die Fakten aus einem Handbuch für Psychiatrie herunterleiern, und bremse mich selbst mit einem Schluck Wein.
    »Und was bedeutet das alles in der Praxis?«, fragt Sonja und wirft einen Blick auf die Uhr an ihrem sehnigen Handgelenk.
    Ich berichte kurz über Saras Hintergrund. Angefangen von der Unterbringung im Heim und den Übergriffen bis zu ihrer Gewohnheit, sich selbst zu verletzen.
    »Warum ritzen sich diese Mädchen eigentlich?«, fragt Markus mit singendem norrländischem Akzent.
    Es ist das erste Mal in unserem Gespräch, dass er etwas sagt, und ich bin fasziniert von seiner hellen, weichen Stimme, genau wie von seinem Gesicht.
    »Um die Angst zu betäuben oder um möglicherweise Aufmerksamkeit zu bekommen. Weil sie von Selbsthass erfüllt sind. Es gibt auch Stimmen, die behaupten, es sei in Mode gekommen, sich zu ritzen. Und nicht alle, die sich ritzen, haben eine Borderline-Problematik. Inzwischen kann man schon im Internet sehen, wie man sich ritzt. Und wenn ein Mädchen es probiert hat, dann will es ihre Freundin auch. Aber das ist nicht das Gleiche wie eine Borderline-Störung …«
    Markus nickt. Er sieht nicht aus wie ein Polizist, denke ich. Er sieht zu jung aus. Andererseits weiß ich nicht, wie ein Kripobeamter aussieht, ich bin bisher noch nie in dieser Art verhört worden. Denn es ist mir klar, dass es sich hier um ein Verhör handelt, unter dem Mäntelchen der Empathie und Unterstützung.
    »Dann wollten Sie also Sara von dieser Borderline-Sache heilen«, bemerkt Sonja und mustert mich dabei.

    »Nein, nicht heilen. Borderline ist keine Erkältung. Es handelt sich eher darum, ein funktionales Verhalten zu finden. Die schmerzlichen Gefühle ertragen zu können. Ich habe daran gearbeitet, dass sie ihre sich selbst schädigenden Verhaltensweisen aufgibt. Zum Beispiel, dass sie sich ritzt«, verdeutliche ich. »Wir, ich … haben gemeinsam versucht, ihr Leben … erträglich zu machen.«
    Markus macht sich wieder Notizen auf seinem Block.
    »Und alle Ihre Patienten haben also solche…«, er zögert, »… Borderline-Problematiken?«
    Er scheint zufrieden zu sein, die Terminologie richtig angewandt zu haben.
    »Nein, nein, das ist ziemlich ungewöhnlich. Die meisten kommen zu mir wegen Angststörungen. Sie können vor unterschiedlichen Dingen Angst haben, zum Beispiel vor Spinnen oder Blut. Einige haben eine soziale Phobie, bekommen Angst in sozialen Zusammenhängen. Andere haben Panikattacken. Ich arbeite mit etwas, das als kognitive Verhaltenstherapie bezeichnet wird. Der Einfachheit halber könnte man sagen, dass ich nicht so sehr daran arbeite, herauszubekommen, warum die Leute ein Problem haben, sondern mich stattdessen darauf konzentriere, wie das Problem gelöst werden kann. Meistens arbeiten wir mit praktischen Übungen. Nehmen wir beispielsweise einmal an, Sie hätten Angst vor Spinnen. Dann müssten Sie üben, eine Spinne anzufassen, und so weiter. Das nennt man Exponieren. Ja, und dann habe ich noch einige depressive

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