Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
Augenblick alles prima für sie. Sie hatte aufgehört, sich selbst zu verletzen, und sie hatte diesen Mann getroffen, von dem ich schon erzählt habe …«
Ich verstumme, es liegt etwas Unausgesprochenes in der Luft zwischen Sonja und Markus, eine Erkenntnis, die Sara betrifft, die sie mir nicht mitteilen wollen, aber ich spüre es dennoch. Sonja wirft Markus einen kurzen Blick zu und atmet tief ein.
»Es gibt Dinge, die darauf hindeuten, dass es möglicherweise Selbstmord war. Es gibt viel, was darauf hindeutet, dass Sara …«
Sie zögert, sucht nach einer passenden Formulierung, als ob es die überhaupt gäbe.
»Es gibt also Zeichen, die darauf hindeuten, dass Saras Ertrinken kein Unfall war.«
»Und welche?«
»Sie hat sich in die Arme geschnitten.«
»Sara schneidet sich immer in die Arme«, sage ich und überlege, bevor ich fortfahre. »Waren die Schnittwunden denn tödlich?«
»Darauf kann ich keine Antwort geben. Wir müssen die Ergebnisse des Rechtsmediziners abwarten.«
»Dass sie sich geritzt hat, ist jedenfalls nichts Neues. Das muss nicht heißen, dass sie Selbstmord begangen hat.«
»Mhm. Da ist noch mehr. Wir haben einen Abschiedsbrief gefunden. Er lag auf den Klippen neben ihren Kleidern.«
»Einen Abschiedsbrief?«
»Ja. Es tut mir leid, aber ich kann ihn Ihnen nicht zeigen, jedenfalls schreibt sie in dem Brief, dass Sie …« Sonja zögert und wirft Markus einen kurzen Blick zu.
»Sie schreibt«, setzt Sonja noch einmal an, »dass die Therapie der Grund ist, weshalb sie sich entschieden hat, ihr Leben zu beenden.«
»Ich verstehe nicht …«
Meine Stimme ist nur ein Flüstern.
Markus steht auf und setzt sich zögernd neben mich auf das alte, genoppte Sofa. Er sieht plötzlich müde aus. Polizeimüde. Hat-zu-viel-Elend-gesehen-müde. Trotz seines Alters. Vorsichtig zieht er mir die Decke über die Schultern.
Sonja fährt fort, ohne weiter zu zögern oder der Wahrheit auszuweichen. Sie spricht jetzt schnell: Die Worte schießen wie Schrotkugeln durch den Raum; unvorhersehbar, schmerzhaft, unmöglich, sich davor zu schützen.
»Sie schreibt, dass Ihre Therapie sie hat erkennen lassen, wie krank sie ist. Dass sie niemals gesund werden wird und dass sie vielen Schmerzen zugefügt hat. Tatsache ist, dass sie ziemlich viel über Ihre Gespräche schreibt, worüber Sie sprachen,
bis ins Detail, und wann Sie sich getroffen haben. Sie hat sogar für bestimmte Gespräche ein Datum angegeben.«
Sonja zögert eine Sekunde und reibt sich die Schläfen, scheint sich dann aber dafür zu entscheiden, dass ich auch die Fortsetzung ertragen kann.
»Sie hat den Brief damit beendet, dass sie schreibt, dass sie sich das Leben aus Rücksicht auf ihre Angehörigen nehmen will und dass sie jetzt begriffen hat, dass ihrem Leben der Sinn fehlt, und dass sie Ihnen dafür danken möchte, dass Sie sie dazu gebracht haben, das einzusehen.«
Dunkel.
Plötzlich ist alles schwarz, und es dauert eine Weile, bis ich begreife, dass ich weine und dass mein Gesicht ganz in der Decke vergraben ist, weshalb nur noch Dunkel um mich ist. In der Ferne höre ich Markus hilflos fragen, ob es jemanden gibt, den er anrufen kann, und ich bin mir nicht sicher, aber ich nehme an, dass ich ihm Ainas Telefonnummer gebe.
Sie möchte mir dafür danken, dass ich sie dazu gebracht habe, einzusehen, dass ihrem Leben der Sinn fehlt. Die Worte klingen in meinem Kopf, während ich auf dem Sofa liege und krampfhaft das Kissen umklammere. Ich erinnere mich an einen Artikel, den ich im Svenska Dagbladet gelesen habe über S-Bahnführer in Stockholm, wie anstrengend es für sie ist mit all den Selbstmordkandidaten, die vor den Zug springen. Und am schlimmsten ist es, so stand in dem Artikel, wenn derjenige, der springen will, den Blick des Fahrers einfängt und vielleicht sogar noch lächelt. Als wollte er ein wortloses Einverständnis zwischen Opfer und dem unfreiwilligen Büttel schaffen. Sie möchte mir dafür danken, dass ich sie dazu gebracht habe, einzusehen, dass ihrem Leben der Sinn fehlt.
Aina kommt. Ich höre, wie sie vor dem Haus mit Markus spricht. Sie reden leise und schnell, als wollten sie nicht, dass
ich es höre. Markus’ Stimme ist ruhig, Ainas schriller. Dann spüre ich Ainas Wange an meiner, und sie sagt, dass alles wieder gut wird. Ich möchte ihr so schrecklich gern glauben.
Keine Schuld.
Keine Scham.
Keine Reue.
Aber auch keine wirkliche Befriedigung. Nicht die Erlösung, die ich erwartet und vielleicht
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