Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
kann, dass ich mich übergangen fühle, ohne als Querulantin dazustehen. Als eine, die von Diskriminierung und Quoten jammert, statt von Leistung zu reden.«
»Ich erinnere mich.«
»Ja, und ich habe…«
Charlotte hält inne und schaut mich an. Schätzt mich mit ihrem Blick ab, um sicherzugehen, ob ich bereit bin, die Wahrheit zu hören, die sie mir liefern will.
»Ich habe mich in sein Emailkonto eingeloggt.«
»Sie haben sich in sein Emailkonto eingeloggt?«
Ich wiederhole Charlottes Worte langsam und fühle mich dumm und schwer von Begriff. Was sie berichtet, erscheint mir so fremd aus Charlottes Mund, dass es mir schwerfällt, ihre Worte zu verstehen.
»Ich habe mich in sein Emailkonto eingeloggt. Er war auf einer Konferenz, irgend so ein Forum in Denver. Keine Ahnung. Ich habe Überstunden gemacht und, ja … es ist einfach so gekommen.«
»Es ist einfach so gekommen?«
Erneut wiederhole ich Charlottes Worte und fühle mich dumm. Ich weiß, dass wir alle manchmal merkwürdige Dinge tun, wenn wir gestresst sind, aber das, was Charlotte berichtet, ist so verblüffend, dass ich nicht so recht weiß, wie ich darauf reagieren soll.
»Ja, es kam einfach so. Und es war ziemlich interessant, er hat nämlich tatsächlich eine Affäre mit einer der jüngeren Betriebswirtschaftlerinnen. Ein Mädchen, das ihm Bericht erstattet. Er vögelt also mit einer Informantin. Ziemlich ungeschickt. Aber noch dümmer, solche Mails auf dem Geschäftscomputer zu speichern.«
Sie lächelt. Ein schiefes, fast verzerrtes Lächeln, und einen Moment lang möchte ich sie gar nicht ansehen, weil ihr Blick mir Angst macht.
»Ich habe überlegt, ob ich die Mail an seine Frau weiterleiten soll, aber das wäre ja total idiotisch gewesen. Ich meine,
dann wäre ich ja wirklich verrückt. Nicht wahr? Und ich habe keinen Grund, ihm privat zu schaden. Das wissen Sie ja. Dass ich mich gekränkt fühle, hat nichts Persönliches. Auf jeden Fall gab es da eine ungelesene Mail von einem unserer größten Kunden in seiner Mailbox. Die eilig war. Sie enthielt einen Entwurf für einen Vertrag, und um schnelle Antwort wurde gebeten. Ich weiß, er wartete auf die Mitteilung. Und da … da habe ich sie gelöscht.«
Sie lacht laut auf und schüttelt heftig den Kopf, so dass ihr braunes Haar um ihr adrettes Gesicht wirbelt, und sie sieht für einen Moment so entzückt aus, dass ich Angst bekomme. Eine Sekunde lang breitet sich ein kaltes, klebriges Gefühl von meinem Bauch aus in meinem Körper aus. Wer ist diese Person, die mir da gegenübersitzt? Wer ist diese Frau? Aber ebenso schnell, wie es gekommen ist, ist dieses Gefühl auch wieder verschwunden, wird ersetzt von den klinischen, glasklaren Gedankenfolgen der Therapeutin. Kein Wunder, dass Charlotte die Kontrolle verliert. Nein, nicht verliert, sie lässt sie los. Und das ist höchste Zeit.
Vielleicht ahnt Charlotte, was ich denke, denn ihre Gesichtszüge verhärten sich.
»Ich habe doch gesagt, dass ich dabei bin, verrückt zu werden. Dass ich keine Kontrolle mehr über mich habe. Das ist doch total wahnsinnig. Und ich hatte dabei ein richtig schönes Gefühl. Als ich es getan habe: delete. Fort damit. Doch dann kam die Angst. Ich habe meine Sachen gepackt und mein Büro verlassen. Habe mich am nächsten Tag wieder dorthin gezwungen. Hatte eine Todesangst, welche Konsequenzen mein Verhalten haben würde. Und wissen Sie, was das Ironische ist?«
Ich schüttle den Kopf, finde keine rechte Antwort.
»Der Mailserver ist am nächsten Tag zusammengebrochen.
Alle noch nicht geöffneten Mails verschwanden. Also blieb mein Eindringen … unbemerkt. Unglaublich, dass ich so ein Glück haben konnte. Und keine Ahnung, wie das überhaupt hat passieren können. Wie ich so etwas habe tun können. Das ist doch wahnsinnig. Ich habe keine Kontrolle mehr, Siri!«
Sie schaut weg, mit zusammengebissenen Zähnen und einem resignierten, etwas abwesenden Blick. Sieht mich nicht mehr an, sondern hinaus in die Dämmerung, die sich langsam über den Medborgarplatz senkt.
»Wissen Sie, was ich auf dem Weg hierher gesehen habe?«
»Nein«, antworte ich wahrheitsgemäß. Woher soll ich das wissen?
»Da ist eine Frau die Götgatan entlanggekommen, sie war in meinem Alter. Redete in ein Handy, lachte. Aber… aber aus einem ihrer Nasenlöcher lief Blut.«
Ich sehe Charlotte immer noch an, weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll.
»Ja, ich weiß, es war ganz normales Nasenbluten, aber ich musste einfach denken
Weitere Kostenlose Bücher