Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
erscheint
mir absurd und unwahrscheinlich. Warum sollte sich jetzt jemand an Sara rächen wollen? Nach all den Jahren. Außerdem gibt es diesen Brief, den Selbstmordbrief, der kein Selbstmordbrief ist. Der Brief, den Saras Mörder geschrieben haben muss. Und derjenige, der den Brief verfasst hat, muss mich kennen. Muss wissen, dass Sara in psychotherapeutischer Behandlung war. Muss bis in die Einzelheiten gewusst haben, worüber Sara und ich sprachen. Ich weiß, die meisten Verbrechen werden von Menschen begangen, die dem Opfer nahestehen. Eher selten ist der Täter eine fremde Person. Und welche Menschen standen Sara nahe? Da gibt es ein paar Freundinnen, die Sara bei unseren Gesprächen erwähnt hat. Linda und Nathalie. Zerbrochene junge Mädchen, genau wie Sara. Ich kann mir schwer vorstellen, dass eine von ihnen Sara angegriffen hat. Ich stelle mir den Mörder als einen Mann vor, und das nicht nur, weil Mörder meistens Männer sind, sondern auch, weil die Person, die Sara vor kurzem kennen gelernt hat, ein Mann war. Ein Mann, der sich außerdem merkwürdig verhalten hat. Ich versuche eine Art Zusammenfassung von dem zu machen, was ich über ihn weiß.
Er ist älter, aber was bedeutet älter? Sara war fünfundzwanzig Jahre alt. Was hieß für sie älter? Fünfunddreißig, so wie ich? Oder fünfundfünfzig, so wie ihr eigener Vater? Mein Eindruck war jedenfalls, dass wir von einem Mann sprachen, der älter ist als ich.
Er hat reichlich Geld. Sara wird mit teuren Designerklamotten und anderen Geschenken überhäuft. Aber was sagt das schon aus? Stockholm muss doch von wohlhabenden Männern in den Vierzigern nur so wimmeln.
Das Auffälligste an diesem Mann ist, dass er sich aus irgendeinem Grund Sara genähert und ihr Vertrauen gewonnen hat, aber trotzdem keinen Sex mit ihr haben wollte. Warum
will ein Mann mittleren Alters so eine Beziehung mit einem jungen Mädchen? Warum? Ich habe keine Antwort auf diese Frage. Aber ich weiß, dass es nicht üblich ist. Ich denke an meine Unruhe, nachdem Sara mir das erste Mal von dem Mann erzählt hat. Mein intuitives Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Plötzlich bin ich fest überzeugt davon, dass ich mit meinem Gefühl richtig lag. Etwas stimmt da nicht.
Ich versuche im Gedächtnis zu graben, ob ich mich nicht doch noch daran erinnern kann, ob Sara erzählt hat, wo die beiden sich kennen gelernt haben. Vielleicht hat sie tatsächlich etwas darüber gesagt, aber es fällt mir nicht ein. Die Videoaufnahmen der Therapiegespräche, denke ich. Ich muss mir die Bänder ansehen. Vielleicht gibt es auf ihnen noch weitere Fakten. Details, die ich vergessen habe. Ich beschließe, mir die Bänder anzusehen, wenn die Polizei, der ich sie ausgeliehen habe, um Kopien zu machen, sie mir zurückgegeben hat. Und wenn ich dazu in der Lage bin. Sara zusammengekauert auf dem Sessel sitzen sehen und aus ihrem Leben erzählen, während sie an ihrer unvermeidlichen Zigarette zieht – das erscheint mir im Moment noch absolut unmöglich.
Der Raum ist hell, die Wände sind weiß. In der Ecke steht ein aufgeräumter Schreibtisch von Kinnarps mit glänzender Schreibtischplatte. Nicht ein Staubkorn scheint sich darauf zu befinden. In den Regalen, auch sie von Kinnarps stehen nach Farben sortierte Jofa-Ordner. Ich sitze an einem kleineren Tisch auf dem Besucherstuhl, in dem Teil, der wohl ein abgetrennter Gesprächsbereich sein soll. Mir fällt auf, dass Möbel und Gestaltung des Zimmers meinem eigenen nicht unähnlich sind. Ein Zimmer, um zu arbeiten, ein Zimmer für ein Gespräch.
Auf der anderen Seite des Tisches sitzen Sonja und Markus, die Polizisten, die ich schon einmal getroffen habe. Im Unterschied zu unserem früheren Gespräch ist das hier jetzt offenbar eine offizielle Befragung. Der Ton ist freundlich, aber förmlich. Von tröstenden Wolldecken und nachgefüllten Weingläsern keine Spur. Vor mir auf dem Tisch steht ein Becher, gefüllt mit Automatencappuccino, den Markus mir geholt hat. »Von unserer neuen Kaffeemaschine«, verkündete er, nicht ohne Ironie in der Stimme.
Sonja ist diejenige, die das Wort führt in ihrem kurz angebundenen, etwas nervösen Gesprächsstil. Markus sitzt daneben, macht sich Notizen und flicht hier und da eine Frage ein.
»Wie viel wissen Sie über Saras Drogenmissbrauch?«
Nachdem ich informiert worden bin, dass die Umstände von Saras Tod unklar sind und dass man nicht länger davon ausgeht, dass sie Selbstmord begangen hat, sondern getötet wurde,
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