Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
zufrieden. Nichts Auffälliges.«
»Vielleicht müssen wir trotzdem einmal mit ihm sprechen.«
»Ich würde es wirklich zu schätzen wissen, wenn Sie das nicht tun. Ich bin absolut überzeugt davon, dass er nichts mit der Sache zu tun hat.«
Ich sehe eine fast unmerkliche Falte auf Sonjas Stirn. Ich habe sie provoziert mit meiner Weigerung, meine ehemaligen Patienten in die Ermittlungen hineinziehen zu lassen.
»Sie wollen nicht Ihre Schweigepflicht brechen, meinen Sie das damit?«
»Genau. Meine Patienten kommen zu mir, um eine Behandlung zu bekommen, sie wissen, dass ich der Schweigepflicht unterliege, das ist ein wichtiger Teil meiner beruflichen Rolle. Ich habe keine Lust, sie irgendwelchen Polizeibefragungen auszusetzen.«
Sonja nickt, und ich weiß, sie wird nicht weiter darauf bestehen, auch wenn es ihr lieber gewesen wäre, ich hätte anders reagiert. Sie wechselt das Thema.
»Und in Ihrem Privatleben – gibt es da keine Person, die
eventuell, wie soll ich es ausdrücken, in einem stärkeren Maße an Ihnen interessiert ist als normal?«
»Nein. Niemanden. Ich habe keine Feinde. Das ist doch absurd, haben Leute tatsächlich Feinde? Ich habe immer gedacht, so etwas kommt nur in kriminellen Kreisen vor. Und vielleicht unter eifersüchtigen Ehemaligen.«
»Und so einen haben Sie nicht? Einen eifersüchtigen Ehemaligen, meine ich?«
»Mein letzter Ex ist inzwischen Vater von drei Kindern und wohnt in Västerås, arbeitet als Ingenieur. Er war es, der Schluss gemacht hat. Wir waren zweiundzwanzig. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass er mir in irgendeiner Art und Weise schaden will.«
Ich denke an Johan. Meinen Jugendfreund, den ich im Gymnasium kennen gelernt habe und mit dem ich bis zum ersten Jahr des Psychologiestudiums zusammen war. Den meine Eltern vergötterten, der mit meinem Vater Auto fahren übte und mit meinen Schwestern flirtete. Er hatte Schluss mit mir gemacht, weil er plötzlich fand, unsere Beziehung werde zu ernst. Vielleicht, weil sie ihn daran hinderte, so intensiv am Studentenleben der Technischen Hochschule teilzunehmen, wie er wollte. Vielleicht, weil er eigentlich der Ansicht war, ich wäre zu ernst. Zu depressiv. Er hat nie verstanden, warum ich Psychologin werden wollte. Fand, ich sollte auf die Wirtschaftsschule gehen oder lieber Ärztin werden.
»Aber ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass wir mit ihm Kontakt aufnehmen? In diesem Fall sind Sie ja nicht an Ihre Schweigepflicht gebunden.«
»Nein, natürlich nicht. Ich werde dafür sorgen, dass Sie seine Adresse bekommen.«
Sonja steht auf und geht zum Schreibtisch, wo sie die einzigen Papiere, die dort liegen, vom Tisch nimmt.
»Außerdem möchte ich gern, dass Sie sich das hier einmal ansehen.«
Sie hält mir zwei Blätter hin.
Das eine ist ein handgeschriebener Brief, das andere die Farbkopie eines Umschlags. Auf dem Umschlag stehen Charlotte Mimers Name und Adresse.
»Das ist nicht das Original. Das haben wir ins Labor geschickt, aber wir möchten trotzdem gern, dass Sie einen Blick auf den Brief werfen, um zu sehen, ob Sie die Handschrift wiedererkennen oder die Sprache oder sonst irgendetwas.«
Ich sehe mir den kurz gefassten Brief an. Der Text stimmt mit dem überein, was Charlotte mir am Telefon vorgelesen hat. Der Brief ist handgeschrieben, mit deutlichen Buchstaben. Ohne zu wissen, warum, fallen mir plötzlich Charlottes Tagebucheinträge ein. Es gibt keine Ähnlichkeit zwischen der Handschrift des Briefes und Charlottes gewissenhafter, schöner persönlicher Handschrift. Trotzdem ist da etwas, was mich an sie erinnert. Vielleicht der zurückhaltende Stil, vielleicht die sorgfältig ausgeführten Buchstaben? Das Gefühl von Kontrolle, das jeden Teil des Textes durchflutet?
»Sehen Sie etwas, das Ihnen bekannt vorkommt? Fällt Ihnen jemand ein? Egal was, alles kann von Interesse sein.«
Ich schüttle nur den Kopf. Sonja schaut mich nachdenklich an und schiebt eine dunkelbraune Haarsträhne hinter das Ohr. Ich registriere, dass sie drei Ohrringe im Ohrläppchen hat; zwei Perlen und einen Delphin in Gold.
»Ihnen ist doch klar, dass, wer immer diesen Brief geschrieben hat … wer immer Sie verfolgt hat … auf jeden Fall jemand ist, der Sie sehr genau kennt, Ihr Leben, Ihre Gewohnheiten und Ihre Patienten. Wie sieht es mit Ihren Kollegen in der Praxis aus? Wie ist eigentlich Ihre Beziehung zu ihnen?«
Die Frage kommt nicht überraschend. Trotzdem stört sie
mich stärker, als ich erwartet hatte. Die
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