Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
Praxis, meine Kollegen: Sven, Aina. Nichts in meinem Leben ist mehr privat. Und alle, die mich umgeben: potentielle Lügner.
Ich bin nicht in der Lage, Sonja zu antworten. Bleibe nur schweigend sitzen, den Blick auf den kleinen Golddelphin in ihrem Ohrläppchen gerichtet, und für einen Moment scheint es tatsächlich, als bewegte er sich.
Oktober
Ich sitze mit Aina im Jerusalem Kebab in der Götgatan. Draußen ist es dunkel, und Södermalm ist voller Menschen, die auf dem Weg von der Arbeit nach Hause sind. Die jungen, trendigen Leute vermischen sich mit gestressten Kleinkindeltern, die Kinderwagen mit drei Rädern schieben, und Rentnern mit Stock, was lebensgefährlich aussieht. Eine Gruppe junger Frauen mit Kopftüchern geht lachend zum Medborgarplatz, vielleicht sind sie auf dem Weg zur Moschee.
Aina drückt sich den ganzen Falafel auf einmal in den Mund, wie sie es immer tut, und ich schweige zu ihren schlechten Tischmanieren, wie ich es immer tue. Rote Soße läuft ihr das Kinn hinunter, als sie sich zu mir vorbeugt und flüstert:
»Ich glaube, Sven könnte darin verwickelt sein.«
»Ach was, hör auf.«
Ich kann nicht anders, muss mit offenem Mund lachen, obwohl er mit Hummus und Salatblättern gefüllt ist.
»Doch, ich meine es ernst. Hör doch. Er hat Zugang zu den Berichten. Er weiß, wo du wohnst. Er ist hinter jeder Braut her, könnte gut dieser Schnösel sein, von dem Sara erzählt hat. Der ihr so gut zugehört hat, sie wirklich gesehen hat.«
»Und warum sollte Sven anfangen Frauen zu erwürgen, Hassbriefe zu schreiben und mich mit Trunkenheit am Steuer reinzulegen?«, frage ich und schaufle weiteren Hummus auf meine Gabel.
»Weil er Frauen hasst !«
Aina klingt eifrig und triumphierend. Ich ziehe die Augenbrauen
hoch, aber sie spricht weiter, ohne meine Reaktion zu beachten.
»Sein Leben ist doch voller persönlicher Misserfolge, die von Frauen verursacht wurden. Er ist von der Universität geflogen, weil er mit diesem Mädel da zusammen war. Seine Frau ist viel erfolgreicher als er. Und auf welchem Feld arbeitet sie? Geschlechterforschung! Du kannst dir denken, welchen Vorträgen er beim Essen lauschen muss. Außerdem arbeitet er in einer Praxis, die von zwei jungen Frauen dominiert wird, und eine von denen hat seine sexuelle Annäherung schon mehrere Male zurückgewiesen. Das nennt man, sich kastriert fühlen.«
»Aina, ist das dein Ernst?«
Jetzt muss ich laut lachen.
»Warum nicht«, sie tut so, als wäre sie gekränkt, und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. Im Augenwinkel kann ich sehen, dass sie die Soße von der Hand an den abgewetzten Jeans abwischt.
»Okay, das ist eine theoretische Möglichkeit«, gebe ich zu.
Einen kurzen Moment lang wandern meine Gedanken zu Peter Carlsson. Er kennt Charlotte Mimer von früher. Er weiß, dass sie meine Patientin ist, denn er ist ihr einmal in der Praxis begegnet. Und seine Zwangsgedanken zirkulieren um Gewalt und Sex. Ich habe über Peter in den letzten Wochen nachgedacht. Mich selbst damit gequält, die drei Gespräche, die ich mit ihm hatte, Wort für Wort noch einmal durchzugehen. Kann Peter gefährlich sein? In der Realität? Kann Peter derjenige sein, der Sara ermordet hat? Sollte ich Aina etwas darüber sagen, Sven oder vielleicht der Polizei? Gleichzeitig bin ich mir meiner Schweigepflicht sehr wohl bewusst. Ich kann nicht zur Polizei gehen und dort über Peter reden, nur weil er merkwürdige Gedanken hat. Das wäre zutiefst unethisch. Ich habe nichts in der Hand. Nur eine bohrende innere Unruhe
und meine eigenen paranoiden Phantasien. Warum sollte Peter Sara töten? Warum sollte Peter mir schaden wollen? Soweit ich weiß, gibt es absolut kein Motiv dafür. Ich beschließe, meinen Verdacht nicht mit Aina zu besprechen. Es erscheint mir nicht angebracht. Schließlich bin ich diejenige, die ihre Paranoia in Schach halten muss.
Aina ist mein Schweigen gar nicht aufgefallen. Sie spinnt ihre Verdächtigung weiter.
»Vielleicht ist es auch Birgitta, ich meine, vielleicht kann sie es nicht ertragen, wenn andere Frauen ihrem Mann zu nahe kommen.«
Aina ist bei dieser neuen Idee ganz aufgeregt.
»Und sie ist ja auch verdammt anders als andere, oder? Du hast doch gesehen, wie sie beim Krebsessen reagiert hat, als Robban sie ausgezählt hat. Und dann hat sie gesehen, wie Sven dir an die Wäsche ging.«
»Und welchen Grund sollte sie haben, Sara zu töten? Eine Feministin auf Mordtour? Ach, hör doch auf.«
Ich spüre, wie
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