Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
Hände zittern, als ich den Staub wegpuste und zum Telefon gehe.
Sie können mich jederzeit anrufen.
Ich wähle seine Nummer und warte auf Antwort.
Markus ist nach fünfundvierzig Minuten bei mir. Er führt das gleiche Ritual durch wie beim ersten Mal, platziert mich auf dem Sofa, schiebt mir Kissen hinter den Rücken, stopft die schmutzige karierte Wolldecke um mich. Ich denke, vielleicht ist das etwas, was die Polizei immer tut, wenn jemand unter Schock steht. Vielleicht absolvieren sie einen Kurs, auf dem sie das lernen.
»Möchten Sie etwas?«, fragt er.
»Ein Glas Wein«, antworte ich, »wenn Sie eins mittrinken«, füge ich hinzu.
Markus verschwindet in der Küche, und ich höre, wie er eine Flasche öffnet. Er kommt mit der Flasche und einem Glas zurück.
»Ich arbeite heute Abend«, sagt er mit einer Geste auf das einsame Glas.
Ich nicke müde und schließe die Augen.
»Erzählen Sie«, sagt er, und ich erzähle. Von Charlotte und dem Brief, den sie bekommen hat. Markus möchte Charlottes Telefonnummer haben, er muss mit ihr sprechen, den Brief sehen, wie er erklärt. Ich verspreche ihm, mich mit Charlotte in Verbindung zu setzen.
Dann erzähle ich von dem lähmenden Gefühl, das ich habe, weil so viele in meiner Nähe zu sterben scheinen. Von der Angst davor, was da draußen in der Dunkelheit ist. Die Worte quellen nur so aus mir heraus, wie ein Strom abgestandenen, muffigen Wassers erscheint mir mein Bericht. Der sich nicht stoppen läst, wie unangenehm er auch sein mag. Aber Markus scheint nicht abgeschreckt zu sein, er nickt nur schweigend und schaut durch meine schwarzen Fenster hinaus.
»Sind Sie solo? Oder gibt es da jemanden?«
Vielleicht ist es der Alkohol, denn die Frage kommt, ohne
dass ich es geplant habe. Ich bereue sie sofort, weil ich das Gefühl habe, eine wichtige Grenze überschritten zu haben, in seine Privatsphäre eingedrungen zu sein. Zwar stellt auch er private Fragen, aber ich gehe davon aus, dass das zu seinem Beruf gehört.
»Nein, da gibt es niemanden«, murmelt er kurz und schaut weg.
Ich kann sehen, dass es ihm peinlich ist. Plötzlich sieht er unglaublich jung und unbeholfen aus, wie er da auf meinem hässlichen Sofa sitzt, in einer Kapuzenjacke und Jeans, und da spüre ich es. Es gibt im Zimmer eine Spannung zwischen uns. Ich starre ihn ein paar Sekunden lang an. Sein Blick weicht meinem aus, und er räuspert sich.
»Also, Siri, gibt es wirklich niemanden, der Ihnen Schaden zufügen will?«
»Nein, ich kann mir wirklich niemanden vorstellen.«
»Und Sie haben in der letzten Zeit nichts Merkwürdiges erlebt, abgesehen von dem, was wir bereits wissen?«
Ich schüttle den Kopf und schließe fest die Augen.
»Wer hat Zugang zu Ihren Patientenberichten?«
»Nur wir, die wir in der Praxis arbeiten, ich, Aina, Marianne und Sven.«
»Und zu den Videobändern?«
»Da ist es das Gleiche. Nur meine Kollegen können da ran.«
»Wäre es möglich, dass einer Ihrer Kollegen dahintersteckt?«
»Auf keinen Fall«, antworte ich schnell, vielleicht zu schnell.
Markus streicht mit den Händen über seine feuchten Jeans und sieht mich prüfend an.
»Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir eine Form von Schutz für Sie organisieren. Ich werde veranlassen, dass ein Streifenwagen öfters bei Ihnen vorbeifährt. Mir gefällt das nicht, dass Sie hier so allein sind, nach allem, was passiert ist.«
Ich weiß nicht, warum, aber beim Gedanken an uniformierte Polizisten, die sich draußen in den Büschen verstecken, dreht sich mir der Magen um.
»Auf keinen Fall. Ich will keine Polizisten hier. Alles, was ich will, ist meine Ruhe.«
»Manchmal hat man keine andere Wahl, Siri. Manchmal muss man Hilfe annehmen. Wir können Sie natürlich nicht zwingen, aber…«
Ich schüttle heftig den Kopf.
»Ich brauche keine Hilfe. Und ich möchte gewiss nicht, dass hier jede Menge Bullen rumrennen, oh Verzeihung, Sie sind ja auch…«
Wir schweigen und schauen einander an. Neugierig dieses Mal. Ich kann sehen, dass in seinen hellen Augenbrauen winzige Regentropfen hängen und dass die Handrücken von sonnengebleichten Haaren bedeckt sind, die im Licht der Bodenlampe neben dem Sofa leuchten. Draußen fällt der Regen mit unveränderter Kraft.
»Ich muss jetzt gehen.«
»Können Sie nicht bleiben, bis ich eingeschlafen bin? Dann brauchen Sie nur die Tür hinter sich zuzuziehen, wenn Sie gehen.«
Er nickt und betrachtet mich mit einem amüsierten Blick.
Ich gehe schweigend in mein
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